Mit den großzügigen Spenden wurde das historische Zentrum von Görlitz saniert. Unbekannter nimmt Einfluss auf die Projekte.

Görlitz. Die Geschichte klingt wie ein Märchen: Im Frühling eines jeden Jahres geht ein Geldregen über Görlitz nieder. Schon 16-mal seit 1995 floss auf das Konto der östlichsten Stadt Deutschlands eine riesige Spende: In den ersten Jahren eine Million Mark, seit 2002 gut eine halbe Million Euro. Der Absender muss ein Geheimnis bleiben - wird es gelüftet, versiegt die kostbare Quelle. Bekannt ist lediglich der Wille des anonymen Gönners, dass sein Geld in die Sanierung der Görlitzer Baudenkmale fließen soll.

Der Unbekannte kennt sich aus in dieser sächsischen Stadt an der deutsch-polnischen Grenze. Als diskutiert wurde, ob Görlitz seine Untere Denkmalschutzbehörde an den gleichnamigen Landkreis abgeben sollte, drohte er, die Zahlungen einzustellen.

Ein Brief schreckte die Stadt im Februar auf. "Wenn befürchtet werden müsste, dass die Fördersumme nicht mehr ihren gedachten Zweck erreicht, dann ergäbe sich eine neue Lage", ließ der unbekannte Mäzen über seinen Anwalt mitteilen. Würde Görlitz die Aufsicht über seine Denkmale aus der Hand geben, könne die mit seinem Geld ausgestattete Altstadtstiftung ihre Aufgaben nicht mehr optimal wahrnehmen, ließ der Spender höflich, aber bestimmt durchblicken.

"Der Stifter ist sehr sensibel", weiß Oberbürgermeister Joachim Paulick (parteilos). Dass sich die Stadt weiter eine eigene Denkmalschutzbehörde leisten will, sei inzwischen fraktionsübergreifend Konsens im Stadtrat. Görlitz gilt mit rund 4000 Einzeldenkmalen als Architekturkleinod. Die Altstadt mit Häusern aus der Gotik, der Renaissance und des Barock sowie das große Gründerzeitviertel sind weitgehend im Original erhalten. Die wertvolle Bausubstanz wurde zu DDR-Zeiten zwar sträflich vernachlässigt. Am Stadtrand entstanden dafür Plattenbauviertel. Mit Hunderten Millionen Euro hat Görlitz seit der Wende aber neuen Glanz bekommen, auch dank des Gönners. Anfangs floss seine jährliche Spende nur in die Altstadt, später wurde die Vergabe der Mittel auf Denkmale außerhalb des historischen Kerns ausgedehnt. Den Geldsegen verwaltet die Altstadtstiftung, die an die Görlitzer Denkmalschutzbehörde angeschlossen ist. Sie leistet die fachliche Vorarbeit für das fünfköpfige Stiftungskuratorium, das alljährlich im Frühjahr entscheidet, wie die 511 500 Euro verteilt werden. In diesen Tagen ist es wieder so weit.

In dem Gremium sitzt auch der Anwalt des Unbekannten. 81 Anträge mit einem Volumen von 2,4 Millionen Euro sind in diesem Jahr bei der Stiftung eingegangen. Peterskirche, Synagoge, Biblisches Haus oder die Turmuhren am Rathaus - mehr als 600 private, kirchliche und öffentliche Objekte profitierten bereits von der "Altstadtmillion". Diese Bezeichnung stammt noch aus der Zeit vor der Währungsumstellung.

Ein "Nutznießer" der Spende ist seit Jahren die Evangelische Kulturstiftung in Görlitz. Die Zuschüsse für 2009 bezifferte die Vorstandsvorsitzende Margrit Kempgen auf etwa 12 000 Euro. Das Geld hilft der Stiftung, ein beachtliches bauhistorisches Erbe zu erhalten: die Nikolaikirche, das Heilige Grab mit vier Kapellen sowie den Nikolaifriedhof mit 16 Grufthäusern und etwa 700 Grabsteinen.

Kempgen bedauert die Anonymität des treuen Geldgebers. "Ich würde gern zeigen, was wir gemacht haben. Dankbarkeit ist etwas, was man eigentlich jemandem persönlich sagen möchte."

2005 ehrte die italienische Organisation Arca dell' Arte den Unbekannten für sein Engagement um die Bewahrung von Kulturschätzen. Die Auszeichnung nahm der damalige Görlitzer Oberbürgermeister Rolf Karbaum (parteilos) entgegen.

Immer wieder gibt es Spekulationen, woher der Mäzen stammen könnte. Anfangs kursierte das Gerücht, er lebe vermutlich im Fürstentum Liechtenstein. Aber wirklich nachforschen würde niemand in Görlitz. Sobald der Name bekannt würde, sei wohl Schluss, sagt Paulick.