Rio de Janeiro. Das Haar ist schlammverkrustet, das Hemd zerrissen: 15 Stunden lang hat Rodrigo de Almeira in Matsch und Trümmern nach Überlebenden gewühlt. Hat er jemanden retten können? Stumm schüttelt der 28-Jährige den Kopf. "Genau dort sind 15 Leute gestorben, die ich kannte", sagt er und starrt auf einen Haufen Dreck.

In einer Favela, einer Armensiedlung, in Rios Nachbarstadt Niterói hat ein neuerlicher Erdrutsch mindestens 40 Häuser unter sich begraben. Wie viele Menschen genau vermisst werden, weiß keiner. Man rechnet mit bis zu 60 Toten. Damit steigt die Zahl der Flutopfer auf 153. Fast alle starben unter Schlammlawinen in den Favelas - ein weiteres Beispiel für den krassen Unterschied der Lebensverhältnisse zwischen Arm und Reich in Rio. Wer in den Elendsvierteln lebt, kennt die Gefahr häufiger Schießereien mit Drogengangstern. Wenn starker Regen die an den steilen Hängen über der Stadt gelegenen Siedlungen aufweicht, bringt die Natur den Tod. Doch die Einwohner wie Almeira wüssten nicht, wo sie sonst leben sollten. Sie müssen hier bleiben, wenn sie bei den Reichen Rios Arbeit haben wollen. Bürgermeister Eduardo Paes will trotzdem mit Zwangsumsiedlungen Ernst machen. 1500 Familien sollen aus ihren Behausungen in Morro dos Prazeres und Rocinha weichen, einem der größten Elendsviertel Lateinamerikas.

"Ich will nicht den nächsten Sommer schlaflos verbringen und mich sorgen, ob im Regen jemand umkommt", sagt er. Wohin er die Menschen verfrachten will, sagt der Bürgermeister nicht, auch nicht, ob sie dort Arbeit finden. Ohnehin sind im Bundesstaat Rio schon 11 000 Menschen obdachlos.