Song und Interpretin passen noch nicht richtig zusammen. Bis zum Finale muss die Harmonie stimmen, damit Lena punkten kann.

Hamburg. Die Gesichter der beiden Finalistinnen bei der letzten Folge der Casting-Show "Unser Star für Oslo" am vergangenen Freitag (wir berichteten in einem Teil der Sonnabend-Ausgabe) sprachen Bände vor der Bekanntgabe der Siegerin. Sichtlich gelöst und siegessicher strahlte Jennifer Braun (18) nach ihrer kraftvollen Interpretation der Soul-Pop-Nummer "I Care For You" in die Kameras, während Lena Meyer-Landrut (18) ausdruckslos auf das letzte Zuschauervotum wartete - und nahezu geschockt, in Tränen aufgelöst, erfuhr, dass sie am 29. Mai Deutschland beim Eurovision Song Contest in Oslo vertreten wird.

"Ich habe damit nicht gerechnet", sagte Meyer-Landrut nach der Show. Schließlich wurde sie nicht mit dem von ihr und Stefan Raab erfrischend komponierten Lied "Love Me" von den TV-Zuschauern zur Gewinnerin gekürt, sondern mit "Satellite", einem ziemlich eintönigen, verschachtelten und kaum prägnanten Halb-Rap zwischen Kate Nash und Lily Allen. Am Ende jubelte die siegreiche Hannoveranerin wie Lenas Großvater und Ex-Botschafter in Russland, Andreas Meyer-Landrut (80), der sich mit Altkanzler Gerhard Schröder (65) beim Deutsch-Russischen Forum in Moskau auf dem Laufenden hielt. "Du bist eben anders", gab Raab Lena mit auf den Weg nach Oslo, bevor sie zum dritten Mal ihren Siegertitel sang und allen Druck abließ: "Verdammte Sch..." und "Das hört nie auf", rief sie mittendrin.

Dabei ist das erst der Anfang. Alle werden sich um sie reißen, während sie im April noch ihr Abitur macht, vielleicht ihren mit fünf Jahren begonnenen Tanzunterricht auffrischt und weiterhin ihr Privatleben öffentlich ausklammert, so wie sie hartnäckige Fragen nach einem Freund keck mit "Ich bin zum achten Mal zwangsverheiratet" beantwortet.

Aber wie stehen die Chancen für Oslo? Ist Lena ein potenzieller Sieger und sorgt für einen Eurovision Song Contest 2011 in Berlin? Der Beitrag "Satellite", komponiert von dänischen Ex-Madonna-Gitarristen John Gordon und der US-Amerikanerin Julie Frost, ist bei allem Charisma Lenas eher Mittelmaß und in der jetzigen Form mindestens einen halben Ton zu tief für ihre Stimme angelegt, wie auch die Gast-Juroren der letzten Show, Stefanie Kloß und Xavier Naidoo, bemängelten. Dreimal trug Lena "Satellite" in der Sendung vor und wurde von Vortrag zu Vortrag unsicherer.

Bis zum Song Contest müssen "Satellite" und Lena besser harmonieren, damit sie die Stärken ausspielen kann, mit denen sie bis in das Finale von "Unser Star für Oslo" kam: einen Song nicht nur zu singen, sondern geradezu lebendig werden lassen als Spiel zwischen unkonventionell vorgetragenem Text, naiver Gestik und niedlicher Mimik.

Denn die einnehmende Unbekümmertheit Lenas ist es, welche die im wahrsten Sinne des Wortes deplatzierten deutschen Teilnehmer der Vorjahre alt und gekünstelt aussehen lässt. Wenn Lena in Topform ist, verwandelt sie einen Rock-, einen Country- oder einen Jazz-Song in einen authentischen Lena-Song. Und der könnte unabhängig von Stimme und "Verpackung" europaweit ankommen bei den Anrufern und den Jurys, deren Punkte zur Verhinderung von Länder-Sympathien jeweils 50 zu 50 gewertet werden.

Aber das ist noch Zukunftsmusik, die schon jetzt besser ist als die im Finale eingespielten, schaurigen Beiträge aus den Niederlanden und der Schweiz. Dennoch wäre ein Platz in den Top Ten für Lena ein Wunder. Aber die gibt es immer wieder ...