Star-Arzt Broelsch nötigte Patienten zu “Spenden“, ehe er sie operierte. Essener Gericht sieht ihn schuldig in 30 Fällen. Einen Kranken hatte er gedrängt: “Die Knete brauche ich aber vor der Operation.“

Hamburg/Essen. Sein Ruf als herausragender Mediziner reichte weit über Deutschland hinaus. Sieben europäische Universitäten wählten ihn zum Ehrendoktor. Er war Chefchirurg im Uniklinikum Eppendorf. Zu seinen prominentesten Patienten gehörte Bundespräsident Johannes Rau. Nun muss Prof. Dr. med. Dr. h.c. mult. Christoph Broelsch (65) ins Gefängnis. Das Essener Landgericht verurteilte den Chirurgen am Freitag zu drei Jahren wegen Steuerhinterziehung, Bestechlichkeit, Nötigung und Betrug. Zwischen 2002 und 2007 hatte er als Chefarzt des Universitätsklinikums Essen unter anderem von 30 todkranken Krebspatienten "freiwillige Spenden" an die Uniklinik verlangt. Nur wer zahlte, konnte damit rechnen, frühzeitig und vor allem von ihm selbst behandelt zu werden. Broelsch erklärte ihnen im selben Atemzug, dass ihnen bei einer längeren Wartezeit der Tod drohe. Eine Frau setzte er mit den Worten unter Druck, sie solle schnell zahlen, da sonst das freie Bett weg sei. In ihrer Not zahlten Patienten bis zu 10 000 Euro. Das Geld verlangte er teilweise innerhalb von zwölf Stunden vor einer Operation. Einem Patienten sagte der Professor: "Die Knete brauche ich aber vor der Operation." In einem anderen Fall soll sich Broelsch bereit erklärt haben, die Spende von 10 000 Euro in zwei Raten zu teilen. Die zweiten 5000 Euro würden aber auch dann fällig, "wenn der Patient auf dem Tisch bleibt". Die Zahlungen flossen auf ein Konto für Forschung und Lehre, auf das auch der Mediziner Zugriff hatte. Bereits 1991 - während seiner Zeit in Eppendorf - ermittelte die Staatsanwaltschaft gegen ihn wegen des Verdachts der aktiven Sterbehilfe. Einer 17-Jährigen mit lebensbedrohlicher Leberentzündung durchschnitt er auf dem OP-Tisch eine Vene. Sie verblutete. Die Ermittlungen wurden damals eingestellt, weil sich nicht beweisen ließ, dass die Patientin infolge des Schnitts früher sterben musste.

2004 bekam Broelsch das Bundesverdienstkreuz, weil er die deutsche Medizin im Ausland bekannt gemacht hatte. Im Frühjahr 2007 wandte sich der Sohn einer Krebs-Patientin an den Sender WDR, die sich vergeblich um einen Operationstermin bemüht hatte, und berichtete von Broelschs Spenden-Aufforderung. Daraufhin meldeten sich Dutzende Patienten und deren Angehörige bei der Staatsanwaltschaft. Im Oktober desselben Jahres wurde er suspendiert. Der ehemalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (63) setzte sich beim nordrhein-westfälischen Forschungsminister für Broelsch ein. Auch Christina Rau (53) soll versucht haben, dem Freund ihres 2006 verstorbenen Mannes zu helfen. Im November 2009 legten die Staatsanwälte eine 99-seitige Anklageschrift vor. Am Freitag fiel nun das Urteil.

Broelsch behauptete, niemals Spenden gefordert, sondern nur darum gebeten zu haben. Das Gericht konnte der Sohn eines Pfarrers und praktizierende Christ davon nicht überzeugen. Nach einer umfangreichen Beweisaufnahme mit mehr als 100 Zeugen sah die Kammer es als erwiesen an, dass sich der Spezialist in 30 Fällen der Bestechlichkeit schuldig gemacht hat, davon in drei Fällen in Tateinheit mit Nötigung sowie in einem Fall mit Betrug. Außerdem verurteilte das Gericht den Mediziner wegen Betrugs in acht und wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen. Der Vorsitzende bescheinigte Broelsch, der die Vorwürfe bis zuletzt zurückwies, ein "fehlendes Unrechtsbewusstsein".

Seine Verteidiger hatten Freispruch gefordert, die Staatsanwaltschaft vier Jahre Haft und ein Berufsverbot. Pure Gier war aus Sicht der Kammer aber nicht das treibende Motiv des Angeklagten. Viele Patienten hatten Broelsch als sehr guten und fürsorglichen Arzt beschrieben. Der Ex-Chefarzt war jedoch überzeugt, dass ihm die Zahlungen wegen seiner überragenden Leistung zustanden.