28 Jahre nach dem gewaltsamen Tod seiner Stieftochter Kalinka kommt es jetzt doch noch zu einem Prozess.

Paris. Der deutsche Mediziner Dieter K. (74), der unter dem Verdacht steht, vor 28 Jahren seine 14 Jahre alte Stieftochter Kalinka Bamberski betäubt, vergewaltigt und getötet zu haben, bleibt in Frankreich in Haft. Das oberste französische Revisionsgericht lehnte gestern den Einspruch des pensionierten Mediziners gegen die Ablehnung seines Antrags auf Haftentlassung ab. Das teilte K.s Anwalt in Paris mit.

K. war im Oktober vergangenen Jahres von Deutschland nach Frankreich verschleppt worden und so in die Hände der französischen Justiz geraten. Die Entführung hatte offenbar Kalinkas leiblicher Vater, der Franzose André Bamberski, initiiert.

Der Fall ist ein deutsch-französisches Familien- und Justiz-Drama, dessen Ursprung fast 28 Jahre zurückliegt. In K.s Haus in Lindau am Bodensee war 1982 dessen Stieftochter Kalinka unter rätselhaften Umständen zu Tode gekommen. Das Mädchen, das in Frankreich bei seinem leiblichen Vater lebte, hatte während der Sommerferien seine Mutter in Lindau besucht, die inzwischen die Lebensgefährtin von Dieter K. war. An der Leiche des Mädchens wurden später Injektionsspuren gefunden.

André Bamberski, der Vater Kalinkas, ist bis heute davon überzeugt, K. habe versucht, das Mädchen unter Narkose zu vergewaltigen. 1984 wurde Anklage gegen K. erhoben, das Verfahren jedoch mangels Beweisen eingestellt. Bamberski erreichte aber, dass sich 1993 ein Pariser Schwurgericht der Sache erneut annahm. Das Gericht verurteilte K. 1995 in Abwesenheit zu 15 Jahren Haft wegen Körperverletzung mit Todesfolge. Dieses Urteil erklärte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte allerdings 2001 für hinfällig, da K. in dem Verfahren nicht durch einen Anwalt vertreten wurde.

Unterdessen war der Arzt 1997 in einer anderen Strafsache vom Landgericht Kempten zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe und zum Verlust seiner Approbation verurteilt worden, weil er eine Patientin (16) unter Narkose vergewaltigt hatte. Der Fall bestärkte Kalinkas Vater in seinem Verdacht. Die französische Justiz erwirkte 2004 wegen der Tötung von Kalinka einen neuen, europäischen Haftbefehl gegen K.. Die deutschen Behörden weigerten sich, ihn auszuliefern. Anfang 2006 dann besaß K. die Chuzpe, sich eine neue Zulassung zu erschleichen. Schon im Juni flog der Schwindel auf. Die Staatsanwaltschaft Coburg wies K. nach, dass er zwischen 2001 und 2006 ohne Zulassung in 28 Fällen praktiziert und 300 000 Euro Honorar kassiert hatte. K. wurde im Juli 2007 zu zwei Jahren und vier Monaten Gefängnis verurteilt. Anfang Juni 2008 wurde er auf Bewährung entlassen.

In der Nacht auf den 18. Oktober 2009 fand man K. dann gefesselt im Elsass. Ein Anrufer hatte die Polizei alarmiert. Später stellte sich heraus, dass dieser Anrufer André Bamberski war. K. war zuvor aus seinem Haus in Lindau verschleppt und über die französische Grenze gebracht worden. Bamberski steht unter dem Verdacht, die Entführung organisiert zu haben. Ihn erwartet deshalb in Frankreich ein Strafverfahren.

Seit dem 22. Oktober sitzt K. in der Haftanstalt Fresnes in der Nähe von Paris. Ihn erwartet wegen der Tötung Kalinkas nun in Frankreich ein neuer Prozess vor einem Schwurgericht. "Ich war sehr beunruhigt, jetzt bin ich sehr erleichtert", sagte André Bamberski gestern.