Der Sabotageakt in einer Raffinerie bei Monza ist nur ein Beispiel für den Umgang des Landes mit der Natur.

Rom. Ölverschmierte Vögel, verseuchtes Wasser, bedrohte Gemüse-Anbaugebiete: Die Ölpest am Po in Italien macht europaweit Schlagzeilen. Wenn der Alarm über mögliche Verseuchungen aber abebbt, kehren römische Politiker zum täglichen Streit zurück. Der jüngste Sabotageakt, bei dem Unbekannte am Po-Nebenfluss Lambro Heiz- und Dieselöl aus einer stillgelegten Raffinerie auslaufen ließen, hätte durch schärfere Überwachung verhindert werden können. Verstärkte Sicherheitsmaßnahmen und eine harte Bestrafung von Umweltvergehen gehören jedoch nicht zu den Hauptanliegen der italienischen Politik.

Dabei hatte zuletzt der Skandal um Giftmüll vor der kalabrischen Küste Justiz und Umweltministerium gleichermaßen aufgeschreckt. Der Kronzeuge Francesco Fonti hatte die Ermittler auf die Spur von mindestens 30 in den 80er- und 90er-Jahren versenkten Schiffen mit Giftmüll gelenkt. Im Auftrag der Mafia-Organisation N'drangheta will er 1992 vor Cetraro an der kalabrischen Westküste persönlich die "Cursky" mit radioaktiven Abfällen "entsorgt" haben. Das an der angegebenen Stelle in 490 Meter Tiefe auf dem Meeresgrund aufgespürte Wrack identifizierte Umweltministerin Stefania Prestigiacomo als das angeblich 1917 von einem deutschen U-Boot versenkte Passagierschiff Catania. Umweltorganisationen kamen aufgrund von Unterwasserbildern und Recherchen in Marinearchiven zu dem Ergebnis, dass das Wrack jünger und nicht leer, sondern noch immer mit Fässern beladen ist. Die Ministerin wollte die Bevölkerung beruhigen, da Fischer seit Bekanntwerden des Skandals Mühe hatten, ihren Fang loszuwerden. Die Suche nach den Giftschiffen wurde mittlerweile eingestellt.

Erst vor wenigen Tagen erregte eine weitere Umweltkatastrophe die Gemüter. Eine Schlammlawine tötete nach tagelangen Regenfällen südlich von Messina mehrere Dutzend Menschen auf dem Weg durch ein Bergdorf . Dabei warnen Geologen seit Jahren, dass die Bebauung instabiler Bergwände solche Katastrophen geradezu vorprogrammiere. Regelmäßige Amnestien für Bausünder tragen jedoch dazu bei, dass weiter an gefährdeten Hängen Gebäude und Siedlungen wie Pilze aus dem Boden schießen.

Das Unglück von Seveso 1976, bei dem dienorditalienische Kleinstadt mit Dioxin verseucht wurde, führte zu strengeren europäischen Regeln im Umgang mit gefährlichen Chemikalien. Trotzdem verdient die Mafia noch heute nach Einschätzung von Umweltschutzorganisationen mit der illegalen Entsorgung von Giftmüll mehr als im internationalen Drogenhandel. Die Clans lassen sich den Abtransport gefährlicher Substanzen von den Unternehmen bezahlen, um sie am Rand von Obsthainen im neapolitanischen Umland abzuladen. Oder sie versenken alles im Mittelmeer. Danach kassieren sie auch noch die Versicherungsprämie für die mit dem Müll untergegangenen Schiffe.

Badefreuden an sizilianischen Küsten werden seit Jahrzehnten durch die Verseuchung des Meeres rund um Priolo in Sizilien getrübt. Das einstige Fischerdorf in der Nähe von Syrakus wurde seit den 50er-Jahren zu einem der größten italienischen Raffinerie-Zentren ausgebaut. Urlauber sehen dort auf der Autobahn Richtung Taormina statt Fischerboote Schornsteine. Ins Meer geleiteter Giftmüll führt zu Fischsterben. Eine überdurchschnittliche Krebsrate und Missbildungen bei Kindern zeugen von den Folgen unsachgemäß entsorgter Industrieabfälle. Das Risiko von Katastrophen bereitet dennoch ebenso wenig anhaltende Sorgen wie alltägliche Umweltverschmutzungen durch Haushalte und Firmen. Abfalltrennung setzt sich kaum durch, da viele Italiener überzeugt sind, dass Glas, Papier und Plastik am Ende doch wieder mit dem Restmüll vermischt werden. Umwelt - für viele Italiener bleibt das ein Fremdwort.