138 Initiativen zur Regeneration des Meeres bei einer Konferenz in Helsinki beschlossen. Die fortschreitende Verschmutzung belastet mehr als 85 Millionen Menschen in den Anrainerstaaten.

Helsinki/Hamburg. Mit 138 einzelnen Initiativen wollen die Regierungen der Ostsee-Anrainerstaaten, aber auch Unternehmen, Institute, Stiftungen und Einzelpersonen der bedrohten Meeresumwelt helfen. Das ist das Ergebnis eines eintägigen Gipfeltreffens der neun Anrainerstaaten, zu dem auch der russische Ministerpräsident Wladimir Putin und Deutschlands Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) angereist waren.

Die Ostsee ist besonders empfindlich gegenüber Einleitungen etwa von Öl, Abwässern, Düngemitteln und Giften aus Industrie oder Landwirtschaft. Denn die Verbindung zur Nordsee ist sehr schmal, sodass sich das Wasser nur langsam austauscht - Schadstoffe bleiben 25 bis 35 Jahre in der Ostsee, sofern sie nicht vorher abgebaut werden. Die Verschmutzung verändert die Unterwasserwelt, und sie belastet mehr als 85 Millionen Menschen in den küstennahen Regionen.

Der Ostseeraum ist einer der Gebiete mit dem weltweit höchsten Wirtschaftswachstum. Dies dürfe aber nicht auf Kosten der Ostsee gehen, betonte Igor Maydanov, Präsident der Helsinki-Kommission (Helcom). Sie wurde von den Ostseeanrainern vor 35 Jahren zum Schutz der Meeresumwelt gegründet und war Gastgeberin des Gipfels.

Schon heute ist die Ostsee eines der am meisten verschmutzten Seegebiete der Welt. Eine große Belastung sind die Nährstoffe, die das Meer überdüngen. Noch immer gelangen Stickstoff- und Phosphorverbindungen über die Flüsse ins Meer, eine Hauptquelle ist die Landwirtschaft. Polen ist hier der größte Umweltsünder. "Jeden Sommer sehen wir die Ausbreitung von Algen, die uns daran erinnern, wie sehr das Gleichgewicht des Ökosystems gestört ist", sagte der schwedische König Carl XVI. Gustaf. Das überdüngte Wasser lässt die Algen sprießen. Der polnische Vize-Ministerpräsident Waldemar Pawlak kündigte nun Investitionen in Höhe von acht Milliarden Euro an, um den polnischen Nährstoffeintrag künftig zu verringern.

Weitgehend ungeklärte Abwässer fließen auch direkt in die Ostsee, etwa aus Passagierschiffen. Die Städte Kopenhagen und St. Petersburg sicherten zu, in ihren Häfen Anlagen zur Reinigung der Abwässer aus Kreuzfahrtschiffen bereitzustellen. Sie folgen damit den Vorreitern Stockholm und Helsinki. "Auch die deutschen Häfen müssen jetzt die notwendige Infrastruktur zur Verfügung stellen", fordert Jochen Lamp vom Ostsee-Büro der Umweltstiftung WWF.

Ministerin Ilse Aigner sicherte Maßnahmen für eine umweltverträglichere Schifffahrt zu. 15 Prozent des weltweiten Frachtschiffverkehrs führt durch die Ostsee. Aigner sagte, Deutschland arbeite daran, den Schiffslärm und die Belastung durch Öleinträge in die Ostsee zu verringern.

Auch Altlasten spielten in Helsinki eine Rolle. Nach dem zweiten Weltkrieg wurden um die 40 000 Tonnen chemische Waffen versenkt; Experten vermuten zudem konventionelle Waffen am Meeresgrund. Die litauische Präsidentin Dalia Grybauskaite rief die Uno, die EU und die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) auf, bei der Beseitigung des Rüstungsmülls zu helfen und kündigte einen entsprechenden Resolutionsentwurf bei den Vereinten Nationen an.

Aus Sicht von Umweltschützern drohen dem Meer noch neue Belastungen: Der Bau der zwischen Russland und Deutschland geplanten Gaspipeline werde die Ostsee durch Baggerarbeiten weit stärker belasten, als der im Dezember erteilte Planfeststellungsbeschluss annimmt. Deshalb reichten der WWF und der BUND gestern eine Klage gegen die Genehmigung des Pipelineprojekts unter der Regie des russisch geführten Konsortiums Nord Stream ein. Wladimir Putin sieht dagegen keine Umweltgefahren durch den Bau der 1220 Kilometer langen Gas-Pipeline.

Helcom-Präsident Igor Maydanov betonte gestern, seine Kommission habe mit Unterstützung der Anrainerstaaten bereits "viele ermutigende Ergebnisse" gebracht. Dennoch "sei noch viel zu tun", damit sich das bedrohte Meer nach und nach erholt.