Nach vier Tagen Geiselhaft befreite ihn die Polizei. Gegen den Mann wird wegen Betruges ermittelt.

Hamburg/Traunstein. Im Alter aktiv bleiben - diese durchaus gut gemeinte Empfehlung kann man anscheinend gründlich missverstehen. Das zeigt das Beispiel fünf gesetzter Herrschaften, die den Kampf für Gerechtigkeit im Juni 2009 selbst in die Hand nahmen und sich zu einem durchaus kinoreifen Unterfangen verabredeten. Fünf Rentner, ein unfähiger Anlageberater, mehr als eine Million verlorene Euro und eine Entführung mit ganz viel Klebeband - ein fast surreales Verbrechen.

Die Forderungen der rüstigen Entführer beliefen sich damals auf stolze 2,5 Millionen Euro. Durch Todesandrohung wollten sie ihre Anlagen plus Zinsen von dem ihrer Meinung nach verantwortlichen Immobilienspekulanten James A. (57) zurückerpressen. Die vier Tage dauernde Entführung wurde schließlich vom Spezialeinsatzkommando (SEK) der Polizei unter Einsatz von Sprenggranaten beendet.

In Traunstein (Bayern) müssen sich nun seit gestern das Ehepaar Roland (74) und Sieglinde K. (79) sowie Iris F. (64) und Wilhelm D. (60) aus Oberbayern vor dem Landgericht verantworten. Ihnen wird Geiselnahme und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Der Ehemann von Iris F. und fünfte Tatbeteiligte, Gerhard F. (67), ist aufgrund einer schweren Erkrankung nicht verhandlungsfähig. Roland K., der mutmaßliche Anführer und Haupttäter, legte am ersten von sechs geplanten Verhandlungstagen ein umfassendes, wenn auch eigenwilliges Geständnis ab.

Es sei keine Entführung, sondern eine Einladung "für ein paar Tage Urlaub in Oberbayern" gewesen. Demnach wurde der Anlageberater nicht mit Gewalt von Speyer nach Chieming gebracht, sondern "als unser Gast zu uns nach Hause eingeladen". James A. habe die Zeit "freiwillig" im "Not-Gästezimmer" verbracht.

Ausführlich berichtete Roland K. auch, wie die Eheleute aus Bayern Mitte der 90er-Jahre in Florida, wo beide Paare Ferienhäuser besitzen, James A. kennengelernt hatten. Der versprach den vermögenden Rentnern Renditen von mehr als 18 Prozent, und die Eheleute investierten, zunächst mit Erfolg. Doch dann "veräppelte und verarschte" er uns, wie der Senior es ausdrückte. Als der Anlageberater sich nach Speyer (Rheinland-Pfalz) absetzte, schien das Geld verloren. Doch die Rentner lernten bei ihrem Kampf ums Geld den Bauunternehmer Wilhelm D. aus Florida kennen, dem James A. 690 000 Dollar schuldete. Gemeinsam fassten sie den Plan, der ihnen nun den Ruhestand hinter schwedischen Gardinen einbringen könnte.

Während Verteidiger Harald Baumgärtl versichert, die alten Leute seien keine Schwerverbrecher, sieht die Staatsanwaltschaft durchaus kriminelle Energie. Roland K. und Wilhelm D. sollen das Opfer am 16. Juni vergangenen Jahres vor dessen Wohnung überwältigt, mit Klebeband gefesselt und geknebelt haben. Dann sei der Anlageberater, gegen den zurzeit in Kaiserslautern wegen Betrugs ermittelt wird, in einer selbst gebastelten Kiste verstaut und zu einem bereitstehenden Auto gekarrt worden.

Die Fahrt führte laut Anklage nach Chieming in Bayern, wo James A. nach Ansicht der Staatsanwaltschaft in einem Kellerverlies des Hauses von Roland K. eingesperrt wurde. Während eines Fluchtversuchs sollen die Rentner ihm zwei Rippen gebrochen haben. Auch ein zweiter Fluchtversuch scheiterte.

Die fünf Betrogenen saßen in der Garage über den Finanzjongleur Gericht und zwangen ihn, Papiere zu unterschreiben, mit denen er sich zur Erstattung von 2,4 Millionen Euro verpflichtete. Erst ein Fax an einen Schweizer Treuhänder, in dem James A. die Botschaft "Sell 100 Call Pol.ICE - bitte heute!" ("Call Police"- Ruf die Polizei) versteckte, führte zur seiner Befreiung. Den Rentnern drohen jetzt fünf Jahre Haft.