Frankfurt/Berlin. In der katholischen Kirche ist seit 1995 gegen 94 Priester und Laien wegen sexuellen Missbrauchs ermittelt worden. Dies ergab eine am Wochenende veröffentlichte Umfrage des Nachrichtenmagazins "Spiegel" bei allen 27 deutschen Bistümern. Viele Fälle seien zum Zeitpunkt ihres Bekanntwerdens jedoch verjährt gewesen. Aktuell stünden mindestens zehn Kirchendiener unter Missbrauchsverdacht.

Die Deutsche Bischofskonferenz erwägt Änderungen bei der Ausbildung und Begleitung von Pfarrern. Die katholische Basisinitiative "Wir sind Kirche" forderte, die Ursachen für sexuellen Kindesmissbrauch an katholischen Schulen zu bekämpfen. Nach ihrer Einschätzung begünstigen die Sexualmoral, ein überhöhtes männliches Priesterbild und autoritäre hierarchische Strukturen sexuellen Missbrauch.

Unterdessen werden immer mehr Fälle an Schulen des Jesuitenordens bekannt. Am Berliner Canisius-Kolleg hätten sich 30 ehemalige Schüler gemeldet, die zwischen 1960 und 1980 Opfer wurden, zitiert der Berliner "Tagesspiegel" die Missbrauchsbeauftragte des Ordens, Ursula Raue. Hinzu kommen laut der Rechtsanwältin bis zu zehn Fälle in Bonn, Hamburg, Hannover und St. Blasien (Schwarzwald). Am Bad Godesberger Aloisiuskolleg gebe es einen zweiten Fall. Bereits 2004 habe ein ehemaliger Schüler ein Buch veröffentlicht, in dem er den Missbrauch durch Priester schildert.

Nachdem auch in Niedersachsen Missbrauchsfälle durch Jesuitenpater bekannt geworden waren, wurde in den Gottesdiensten im katholischen Bistum Hildesheim am Sonntag ein Brief von Bischof Norbert Trelle verlesen. Darin spricht Trelle den Opfern sein "tief empfundenes Mitgefühl" aus. Die Fälle erfüllten ihn mit Scham und Empörung und bedrückten ihn zutiefst, schreibt Trelle. Das Bistum werde alles tun, um für Aufklärung zu sorgen. "Allen Opfern bieten wir Begleitung und Hilfe an." Zum Schluss seines Briefes bittet Trelle, vom Einzelfall nicht auf einen ganzen Berufsstand zu schließen. "Die ganz große Mehrheit unserer Priester versieht ihren Dienst mit Anstand und großer Achtung vor den ihnen anvertrauten Kindern und Jugendlichen."