Peking. Unglaublich, aber wahr: Rikschafahrer Chen Chuanliu (42), der aus der Provinz Sechuan stammt, kettet in der chinesischen Hauptstadt Peking seinen zwei Jahre alten Sohn Lao Lu jeden Tag an einen Baum am Straßenrand, wenn er einen Auftrag hat. Er sagt, das sei für ihn die "sicherste" Art, für seinen Kleinen zu sorgen, denn er hat schlechte Erfahrungen gemacht. Vor Kurzem wurde seine vier Jahre alte Tochter von der Straße weg gestohlen, während er Rikscha fuhr. Die Mutter der Kinder hat keine Zeit, sie sucht auf den Müllkippen der Stadt nach Dingen, die sich verkaufen lassen. In den Kindergarten darf der Kleine auch nicht, denn der Mann aus Sechuan hat in Peking kein Recht auf soziale Betreuung. Chen konnte der Polizei noch nicht mal ein Foto seiner vermissten Tochter für eine eventuelle Fahndung geben, da er keines hatte - aus Geldnot. Ist Chen ein Rabenvater? Nein, denn er versucht nur, seinen Sohn vor dem in seinem Land weitverbreiteten Übel zu bewahren - dem Kinderraub. Weil die Regierung die Geburtenzahl streng kontrolliert, lässt mancher, der mehr Kinder haben will als vom Staat vorgegeben, sie heimlich von Banden auf den Straßen entführen. Chen wurde jetzt von den Behörden befohlen, seinen Sohn von der Kette zu befreien. Er wird gehorchen müssen, reagiert aber trotzig: "Ihn angekettet zu haben ist besser, als ihn zu verlieren." (HA)