Wer sich von der bunten Fantasiewelt zu sehr faszinieren lässt, kann vom tristen Alltag enttäuscht sein. Experten erklären, warum.

Hamburg. Er ist der erfolgreichste Film aller Zeiten. Mit neun Nominierungen gilt er als großer Favorit für die Oscar-Verleihung. Der Blockbuster "Avatar - Aufbruch nach Pandora" verzaubert ein Millionenpublikum - und stürzt Tausende in Schwermut. Im sozialen Netzwerk Facebook gibt es sogar eine Selbsthilfegruppe. Die Geschichte über den gewaltsamen Vorstoß der Menschen in die fremde, farbenprächtige Welt Pandora scheint für einige Fans zu real und überwältigend. Im Forum "Avatarforums.com" beklagen Tausende Menschen, dass sie sich nach dem Kinobesuch deprimiert fühlen oder eine geheime Sehnsucht nach der Fantasiewelt des Films verstehen können.

"Der Film hat mich glücklich gemacht", schreibt Internetnutzerin "Baghdassarian". "Aber ich kann verstehen, warum er Menschen unglücklich macht. Der Film war so wunderschön und zeigte etwas, das wir hier auf der Erde nicht haben. Ich glaube, sie haben gesehen, dass wir in einer komplett anderen Welt leben könnten, und das macht sie deprimiert."

Der Eintrag von User "Elequin" deutet regelrecht auf eine Besessenheit nach dieser Fantasiewelt hin: "Ich mache nichts anderes mehr, als im Internet nach Informationen über ,Avatar' zu suchen. Ich denke, es hilft. Es ist so hart, ich kann nicht glauben, dass es nur ein Film sein soll. Ich komme nicht darüber hinweg, dass diese Welt niemals möglich sein wird. Ich glaube, ich brauche einen Film, der mich wieder aufbaut."

Ob die Fortsetzung von "Avatar" dafür geeignet ist? Regisseur James Cameron (55) kann sich zumindest vorstellen, einen zweiten Teil zu drehen, sagte er gestern dem Nachrichtensender CNN. Der Film sei für ihn aber kein einfaches Projekt gewesen. Er habe sich zusammenreißen müssen, sich bei den Dreharbeiten "keine Pistole in den Mund" zu stecken. Es scheint, der Film löst auf allen Seiten große Gefühle aus. Dass "Avatar" seinen "Titanic"-Erfolg toppen könnte, damit hat er nie gerechnet: "Wir glaubten nicht, dass er finanziell halb so gut laufen würde." Beide Streifen sahen sich Zuschauer gleich mehrfach im Kino an. "Da muss also eine Art emotionaler Bindung entstehen."

Jugendliche empfinden diese Emotionen besonders intensiv. "Pubertierende befinden sich in einer psychologischen Umbruchphase. Sie können sich besonders gut in Fantasiewelten hineinbegeben und unter Umständen auch hineinsteigern", sagt Kinder- und Jugendpsychiater Prof. Michael Schulte-Markwort vom Uniklinikum Eppendorf in Hamburg. "Das intensive Erleben eines 3-D-Films kann den Überstieg in die Realität zusätzlich erschweren."

Wer diese bunte Fantasiewelt als besonders realistisch erlebt, kann außerhalb des Kinosaals über den grauen Alltag sehr enttäuscht sein. "Der Film ist aber nicht die Ursache für die depressiven Verstimmungen, sondern lediglich Auslöser", sagt der Mediziner. Jemand, der depressiv veranlagt sei, gleite schneller in eine Fantasiewelt ab. Die ungewohnten Seheindrücke könnten auch Nebenwirkungen haben. Wie wirkt die 3-D-Technik auf die Sinne? "Wir sehen letztlich eine Illusion", sagt der Hamburger Privatdozent Dr. Ulrich Schaudig, Chefarzt der Augenheilkunde in der Asklepios-Klinik Barmbek. "Es werden zwei für das linke und rechte Auge unterschiedliche Bilder projiziert. Mit der entsprechenden Brille wird der Seheindruck zu einem dreidimensionalen Bild verarbeitet. Zudem leiten die Regisseure den Blick auf das Hauptgeschehen, indem sie den Fokus dort besonders scharf stellen und so den dreidimensionalen Eindruck verstärken. Nebenschauplätze, die außerhalb des Fokus liegen, wirken unscharf. Der Zuschauer tut gut daran, sich nicht auf die Nebenschauplätze links und rechts zu konzentrieren. Das kann Kopfschmerzen verursachen. Im Kinosaal sollten sie möglichst in der Mitte sitzen und sich auf das Hauptgeschehen konzentrieren."