Wegen fehlender zwei Euro musste ein Mädchen nachts bei minus 19 Grad eine Stunde auf dem Bahnsteig sitzen.

Berlin. Sie war nur noch drei Stationen von zu Hause entfernt. Doch wegen der Differenz von zwei Euro musste die 16-Jährige Jennifer Reischl schon vorher aussteigen und eine Stunde nachts in eisiger Kälte allein auf einem verlassenen Bahnhof ausharren. Eine Mitarbeiterin der Deutschen Bahn hatte kein Mitleid, setzte das Mädchen vor die Tür. Nur weil sie die falsche Fahrkarte gelöst hatte, ließ die Schaffnerin die Schülerin in Brandenburg in der laut Deutschem Wetterdienst bisher kältesten Nacht dieses Jahres aus der Regionalbahn nach Cottbus aussteigen. Das Mädchen hatte nur ein Ticket für 5,10 Euro vorweisen können, die Strecke sei jedoch zwei Euro teurer gewesen, bestätigte ein Bahn-Sprecher gestern in Berlin einen entsprechenden Bericht der Potsdamer Tageszeitung "Märkische Allgemeine".

Demnach wurde die Minderjährige in der Nacht zum Mittwoch in Königs Wusterhausen kurz vor 22 Uhr des Zuges verwiesen. Sie hatte eine Freundin in Berlin besucht und war auf dem Heimweg nach Groß Körbis. "Sie rief mich verzweifelt aus dem Zug an, ich hörte, wie sie die Bahnangestellte anflehte, sie weiterfahren zu lassen. Doch es half alles nichts", sagte Jennifers Mutter Julia Reischl der Zeitung. Die Schaffnerin soll das Gespräch mit ihr verweigert haben. "Hätte meine Tochter kein Handy dabeigehabt, wäre sie total aufgeschmissen gewesen."

Da die Mutter bereits bei der Nachtschicht war, holte schließlich ein Kollege das Mädchen vom Bahnsteig ab. Doch bis dahin, musste Jennifer eine Stunde draußen bei minus 19 Grad warten, weil die Bahnhofshalle bereits geschlossen war. Laut "Märkischer Allgemeiner" liegt sie nun mit Fieber im Bett und kann nicht zur Schule gehen.

Die Bahn nannte das Verhalten ihrer Mitarbeiterin inakzeptabel. Das Unternehmen will nun den Vorfall prüfen. Sollte dieser sich bestätigen, drohen der Frau arbeitsrechtliche Konsequenzen.

Immer wieder geriet die Deutsche Bahn in die Schlagzeilen, weil Kontrolleure Kinder und Jugendliche wegen fehlender oder falscher Fahrausweise bei Nacht und Nebel aus dem Zug verbannt haben. Das Magazin "Stern TV" berichtete in einer Sendung vor Weihnachten von schon mehr als hundert registrierten Einzelfällen, allein in der Region Berlin und Brandenburg.

Erst wenige Tage vor Weihnachten verwies eine Schaffnerin drei 13-jährige Mädchen auf deren Weg von Nauen in das benachbarte Berlin-Spandau in Falkensee des Zuges. Sie akzeptierte das ermäßigte Tagesticket für bis zu 14-jährige Schüler nicht, obgleich die Kinder ihr Alter durch einen Schülerausweis nachweisen konnten.

Deutschlands Zugbegleiter erhielten bereits im November 2008 die Anweisung per SMS, dass Minderjährige in keinem Fall des Zuges verwiesen werden dürfen. "Jedes Fehlverhalten wird arbeitsrechtliche Folgen haben", hieß es. "Dies gilt nach wie vor", sagte ein Bahnsprecher. Einige Schaffner sind schon vom Dienst suspendiert worden.

Der Fahrgastverband Pro Bahn zeigte sich empört über das Verhalten der Schaffnerin. "So geht das nicht", sagte Vorsitzender Karl-Peter Naumann. Es gebe immer eine Möglichkeit, um den Fahrpreis nachträglich einzufordern, indem beispielsweise die Personalien erfasst würden.