Vor einem Jahr startete das Hamburger Abendblatt die Aktion „Werden Sie Pate!“. Zur Bilanz haben wir in Hamburger Schulen nachgefragt.

Hamburg. Christian ist morgens immer der Erste. Gegen 7.15 Uhr kommt er durch die Eingangstür der Schule Luruper Hauptstraße, geht zielstrebig durch die große Pausenhalle zur Ecke mit den großen, grünen Polstern und der Grünpflanze. Dort ist die Leseecke der Grund-, Haupt- und Realschule aufgebaut, direkt an der Heizung. Der 13-Jährige schnappt sich eines der drei Hamburger Abendblätter, die dort täglich vom Hausmeister aufgehängt werden, kuschelt sich in den Sitzsack und fängt an zu lesen. Jeden Schultag, seit fast einem Jahr.

HIER GEHT ES ZUM ABENDBLATT-LESEECKEN-RAP

SO WERDEN SIE PATE

DAS SIND ALLE PATEN

„Ich komme, seit wir die Abendblatt-Abos haben, extra früher zur Schule. Denn dann kann ich in Ruhe die Zeitung lesen. Ich finde es total spannend zu erfahren, was in der Welt so passiert“, sagt der reif wirkende Siebtklässler. Zuerst blättere er immer durch den Politikteil, „lese, was die Parteien so alles anstellen“, um sich dann ausführlich seinem Lieblingsressort zu widmen: dem Sportteil. Bis dahin sind auch schon seine Kumpels Marko und Nana angekommen, die sich die beiden anderen Zeitungen vom Haken nehmen. Auch Nana nimmt seit einem halben Jahr einen Bus früher, um in seiner Schule die Zeitung lesen zu können. „Wir diskutieren dann immer über die Sportergebnisse, das ist schon fast zum Ritual geworden“, sagt der 13 Jahre alte Nana lächelnd.

Die Leseecke mit den drei Abendblättern, die von Paten gestiftet wurden, ist an der Luruper Schule voll akzeptiert. Die Zeitungen werden intensiv von Schülern in den Pausen und Freistunden gelesen oder für den Unterricht genutzt. „Die Zeitungen sind eine echte Bereicherung für unsere Schule“, sagt Schulleiter Joachim Hinz. Diese Meinung teilt er mit nahezu allen Hamburger Schulleitern, die sich in einer gerade durchgeführten Abendblatt-Umfrage zur Paten-Aktion äußerst positiv zu dem Projekt geäußert haben.

Genau vor einem Jahr hat das Hamburger Abendblatt die große Bildungsinitiative „Werden Sie Pate“ gestartet und seine Leser aufgefordert, den weiterführenden Schulen Hamburgs Paten-Abos zu spendieren. Denn Hamburgs Schüler sind – wie bei der letzten PISA-Studie festgestellt wurde – Schlusslichter im Bereich Lesekompetenz. Und Zeitunglesen ist ein idealer Leseeinstieg. Die Resonanz zum Aufruf war überwältigend: Seit dem Frühjahr bekommen fast alle 240 weiterführenden Schulen Hamburgs und 50 Schulen der Metropolregion Paten-Abos geliefert. Die meisten Zeitungen %liegen in den Pausenhallen für die Schüler aus, einige auch in den Schulbibliotheken, Cafeterien oder Oberstufenräumen, wie die Schulleiter bei der Umfrage angaben. Viele Schulen haben dort entweder eine vom Abendblatt gestiftete Leseecke mit den grünen Polstern eingerichtet oder mit Stühlen und Tischen eigene Lesebereiche abgetrennt.

In der Katholischen Bonifatiusschule kümmern sich die Schulsprecher um die Leseecke. „Wir achten darauf, dass die Zeitung täglich ausliegt“, sagt Schulsprecherin Ilijana. Sie findet es gut, dass die Schüler die Verantwortung für den Lesebereich haben. „Das stärkt unsere Selbstständigkeit“, sagt die 16-Jährige. Das sehen die Neuntklässler der Schule Kirchwerder bei der Kirche ähnlich. Sie sorgen dafür, dass täglich die aktuellen Zeitungen am Lesestab hängen und ihre Ecke ordentlich aufgeräumt ist. Sie haben Grünpflanzen um die Sitzkissen gruppiert, an den Wänden hängen selbst gemalte Bilder, ein großes Schild markiert den einladend wirkenden Lesebereich in der Pausenhalle. „Wir haben zu Hause kein Abendblatt, von daher finde ich es super, dass ich in der Schule Informationen über die ganze Region bekomme“, sagt Phillip (14).

Seine Lehrerin Marita Jungmann und auch viele ihrer Kollegen verwenden Zeitungsartikel im Unterricht. „Wir benutzen die Zeitung in Deutsch, Politik, Philosophie oder auch Wirtschaft. Die Schüler kommen oft in die Ecke, um etwas nachzulesen“, sagt Jungmann. Das macht auch Katia, Abiturientin am Gymnasium Hamm. Die Leseecke ist dort vor dem Verwaltungsbüro aufgebaut. „Unser Gemeinschaftslehrer erwartet, dass wir auf dem neuesten Nachrichten-Stand sind, deswegen komme ich häufig hierher“, erzählt die 18-Jährige. Manchmal sei richtig Stau vor dem Bereich, da müsse man warten, bis man das Abendblatt bekomme, berichtet Siebtklässlerin Svetlana. Sie kommt mit ihren Freundinnen oft vorbei und liest die Kinokritiken. Ihr Schulkamerad Finn-Lasse schaut hingegen ins Abendblatt, um sich „nach einem Test oder anstrengendem Unterricht zu entspannen“. Der 13-Jährige findet, dass er „schon viel flüssiger lesen kann“.

Bei Christian aus der Schule Luruper Hauptstraße hat sich die tägliche Zeitungslektüre sogar auf seine Schulnote in Deutsch ausgewirkt. „Ich habe mich um eine Note verbessert, von einer Vier auf eine Drei“, sagt er. Und sein Wortschatz habe sich vergrößert. Wenn er Wörter nicht versteht, fragt der Siebtklässler seine Lehrerin Babette Dembski. Die ist sichtlich stolz auf ihren eifrigen Schüler. „Zeitungen in der Schule sind heute ein echtes Muss“, sagt die Deutsch- und Gesellschaftskundelehrerin. Gerade im Zeitalter des Internets und der schnellen Medien sei es ganz wichtig, dass Schüler auch noch das Hamburger Abendblatt lesen würden. „Wir haben ganz häufig Diskussionen über Artikel, die die Schüler gelesen haben.“

Inzwischen strahlt die Luruper Leseecke bis in den Stadtteil hinein. Sogar Eltern würden kommen und das Abendblatt in der Schule lesen, erzählt Schulleiter Hinz. Und bisher sei nicht eine Zeitung zerfetzt worden, die Polster würden pfleglich behandelt. „Das zeigt die Wertschätzung für den Lesebereich, und das finde ich wirklich beglückend.“