Untersuchungsausschuss soll die Verstrickungen des Vorzeigepaars offenlegen. Regierungschef nimmt Auszeit.

London. Ungewöhnlich gut laufen die Geschäfte in dem vor zehn Monaten neu eröffneten Café/Restaurant The Lock Keeper's Inn im Süden von Belfast. Hinter der Theke bedient der Chef selber, Kirk McCambley, ein 21 Jahre alter, gut aussehender Jungunternehmer. Die Einkehrer starren unablässig in seine Richtung, als wollten sie fragen: Der also? Nicht möglich! Vor zwei Jahren hatte McCambley wie berichtet eine Affäre mit Mrs Robinson - ähnlich wie in dem Film "Reifeprüfung" mit Dustin Hoffman.

Iris Robinson (60), die Ehefrau des "Ersten Ministers" von Nordirland, wie der Ministerpräsident und Regierungschef Peter Robinson (61) hier heißt, war die Auserwählte. Sie hat sich inzwischen in eine psychiatrische Klinik geflüchtet. Seine Frau sei in Belfast in "intensiver" Behandlung, teilte der Ministerpräsident mit und gab gleichzeitig bekannt, dass er nun eine Auszeit von sechs Monaten nehmen wolle. Er selbst geriet gestern in der Affäre immer mehr in Bedrängnis. Nicht nur die Liebschaft seiner Frau mit dem damals 19-Jährigen, sondern finanzielle Verstrickungen könnten unabsehbare Folgen für ihn haben - spätestens dann, wenn ein soeben einberufener Parlamentarischer Untersuchungsausschuss erst einmal die Arbeit aufnimmt und Kirk McCambley sowie die anderen Protagonisten dieser unerhörten Begebenheit einvernimmt.

Die Lawine der Enthüllungen war Mitte vergangener Woche ins Rollen gekommen, als Peter Robinson die Presse in sein Büro in Stormont, dem Belfaster Regierungssitz, einlud und ein Geständnis mit Sprengkraft ablegte. Seine Frau habe ihn mit "ungehörigem Benehmen" bloßgestellt, presste er mit verkniffenem Gesicht hervor, den Tränen nahe. "Sie werden verstehen, wie vernichtet ich mich fühlte von dem, was ich von Iris erfuhr." Sein erster Instinkt, so Mr Robinson, sei gewesen, die Ehe aufzukündigen. "Ich fühlte mich betrogen nach fast 40 Jahren einer glücklichen, engen Zusammengehörigkeit." Aber wegzulaufen hätte den Zustand seiner Frau, die an Depressionen leidet, nur verschlimmert. Denn in der gleichen Nacht, in der sie das inzwischen beendete Verhältnis beichtete, versuchte sie, so offenbart es jetzt ihr Mann, sich das Leben zu nehmen.

Das Ehepaar Robinson hat drei erwachsene Kinder, zwei Söhne, eine Tochter, und gilt in Nordirland als erfolgreiches Politikerpaar. Sehr erfolgreich sogar, denn beide halten Sitze sowohl im Stormonter Parlament als auch im Unterhaus in Westminster, wobei die Frau zusätzlich als Ratsmitglied des Belfaster Bezirks Castlereagh fungiert. Mächtig, einflussreich, vorbildhaft - das Abziehbild einer gottgefälligen Familie.

Peter Robinson rang nach Worten: "Im Geist der Demut und Reue hat Iris mich um Vergebung gebeten, indem sie die volle Verantwortung für ihr Tun übernahm - und ich habe ihr vergeben." Iris Robinson lag mit ihrem eigenen Geständnis, das sie am gleichen Tag per Statement an die Öffentlichkeit gab, nicht weit von der Einschätzung entfernt. "Ich bin in großer Trauer, dass ich mein Zeugnis in Christo beschädigt habe, aber ich bin getröstet in dem Gedanken, dass er selbst mir vergeben kann."

Das Bild der "First Lady" aus Nordirland schwankt jetzt sehr in der Öffentlichkeit. Da ist einerseits Mitleid mit einer seit Langem seelisch angeschlagenen Frau, die auf der anderen Seite oft durch eine unangenehme, moralisch überhebliche Art von sich reden machte. Etwa wenn sie gegen die Homosexualität zu Felde zog und diese mit dem Hinweis auf das Dritte Buch Mose als eine "Abscheulichkeit" geißelte. Aber es ist nicht nur das Liebesabenteuer, das ans Licht gekommen ist, sondern auch ein Fall von Korruption im Amt. Das kann das politische Aus für den Ministerpräsidenten bedeuten. Seine Frau hatte schon vor ihm alle Ämter zur Verfügung gestellt.

Rückblick: Kirk McCambley, einziger Sohn eines mit der Robinson-Familie befreundeten Fleischermeisters, bei dem Iris oft einkaufen ging, verliert im Frühjahr 2008 seinen Vater. Der Krebskranke nimmt seiner Freundin das Versprechen ab, sich um den Teenager zu kümmern. Iris Robinson schanzt ihm The Lock Keeper's Inn zu - und nicht nur das. Sie beschafft ihm Darlehen, verheimlicht ihr Interesse an dem Geschäft in einer Ratssitzung. Und sie kassiert einen Teil der geliehenen Summe, 5000 Pfund. Als ihr Mann von dem Geschäft (nicht von der Affäre) erfährt, entscheidet auch er sich, den Fall zu vertuschen.

Erst die Ankündigung eines BBC-Films bringt das ganze Drama ans Licht - und nicht nur das. Am Morgen nach dem versuchten Suizid der Gattin verlässt der Regierungschef sein Haus, um wie geplant früh um neun an einer Parlamentssitzung teilzunehmen, und bittet einen Freund, den Krankenwagen zu bestellen und für weitere medizinische Hilfe zu sorgen. Bilder zeigen Peter Robinson später, wie er als Nordirlands Ministerpräsident lachend am Rednerpult steht.

Die Kommentare über den Mann fallen von Tag zu Tag vernichtender aus. Das Volk zieht im Zweifelsfall eher einen Politiker vor, der bei seiner zwischen Leben und Tod schwebenden Frau ausharrt, als den heldenhaften Dienstleister, der eine private Krise bis zur Meisterschaft zu "internalisieren", das heißt: zu verheimlichen, versteht - und damit ins Unmenschliche übertritt.

Die neun Westminster-Sitze der protestantischen Democratic Unionist Party (DUP), deren Chef Robinson ist, sind bei der kommenden Unterhauswahl in höchster Gefahr, schon allein deshalb, weil das Vorzeigepaar seine Glaubwürdigkeit verloren hat.