Wer weiß schon, was morgen ist? In Deutschland eigentlich nur einer: Matthias Horx, Gründer und Chef des Zukunftsinstituts. Seit Jahren versorgt der 54-Jährige vom Taunus aus dankbare Medien mit Aussagen über das, was kommen wird. Liest sich immer gut. Las sich auch 2001 gut, als er die Welt im Jahr 2010 beschrieb. Nun rückt genau dieses Jahr nahe. Besonders bedrohlich ist das für Horx und seinen "Thinktank der europäischen Trend- und Zukunftsforschung" (Eigenwerbung). Denn dieses verflixte 2010 will nicht so, wie der große Horx damals wollte. Dabei hatte der Mann, der von sich behauptet, er könne "mögliche Zukünfte" erfassen, dem Jahr freundlicherweise gleich vier Entwicklungschancen gegeben.

Szenario 1: ein düsteres Kriegsgemälde. "Selbstmordattentate und Kamikazeterror eskalieren auf einer neuen Stufe, biologische und chemische Waffen werden eingesetzt", weissagte Horx. Der Reiseverkehr bricht zusammen.

Szenario 2: die rosarote Variante. Weil die USA "strategisch klug" gegen den Terrorismus vorgeht, kommt es "in den meisten arabischen Ländern" zu Demokratisierungsprozessen. Folge: "Toleranz und friedliches Miteinander haben im Jahr 2010 ein großes Stück Terrain erobert".

In den Szenarien 3 und 4 geht Horx dann fantasiemäßig durch die Decke. Da entstehen dann in "Skandinavien, Osteuropa und Südamerika" vom Terror verschonte "Wohlstandsinseln", während die arabische Welt - von den USA rücksichtslos bombardiert - zur "chronischen Bürgerkriegszone" wird. Oder es bildet sich eine "Hochsicherheitsgesellschaft" heraus. "Scharfe Kontrollen gehören zum Alltag", ebenso "Exekutionen mutmaßlicher Terroristen auf offener Straße". Die Sicherheitsbranche boomt und erzeugt zusammen mit einem "privaten Hochsicherheitsflugverkehr" eine "Wirtschaftsblüte".

Mag ja sein, dass Horx auf diese Weise eine Wirtschaftsblüte für sein Zukunftsinstitut erzeugt hat. Ansonsten wirkt das Jahr 2010 kurz vor seinem Start gar nicht so, als könne es sich dazu aufraffen, eine dieser vier Fantasien auch nur halbwegs zu erfüllen. Ohnehin war 2001 nicht Horx' Glücksjahr. Der Erforscher zünftiger Zukünfte veröffentlichte damals ein Buch mit dem Titel "Smart Capitalism - das Ende der Ausbeutung". Eine der vielen schönen Kapitelüberschriften lautete: "Die wahre neue Ökonomie beginnt im Herzen". Woraufhin eben jener Kapitalismus in den Folgejahren nichts Besseres zu tun hatte, als dem horxschen Streichelzoo für Weltanschauungen zu entfliehen und die Folterinstrumente auszupacken. Profitmaximierung, Heuschreckenalarm, Zockermentalität, Giftpapiere: alles verschlafen, lieber Taunus-Trend-Thinktank.

Aber angesichts des Eigensinns, mit dem die Zukünfte den Forscher zu narren vermögen, wollen wir nicht pingelig sein. Horx hat Besseres verdient. Wir wollen ihm die Zukunft weisen - in vierfacher Ausführung.

Variante 1: Ein Astrologenaufstand macht das Zukunftsinstitut dem Erdboden gleich. Horx verschwindet. Niemand weiß mehr, was die Zukunft bringt.

Variante 2: Das Zukunftsinstitut stellt das Bundeskabinett, Horx wird Bundeskanzler. Weil er alle Krisen vorhersieht, kann er alle verhindern. Deutschland steigt zur Weltmacht auf. Nur Griechenland mit seinem reaktivierten Orakel von Delphi kann noch mithalten.

Variante 3: Der Sohn von Matthias Horx tritt in die Fußstapfen des Vaters: Karl Horx veröffentlicht "Das Start-Kapital". Der Wälzer, mit dem Aktienkurse vorhergesagt werden können, wird weltweit zum Bestseller. Matthias Horx wird Ruheständler und will sich "endlich mit der Vergangenheit beschäftigen".

Variante 4: Horx und sein "Thinktank" gehen an der Elbe vor Anker. Horx gründet mit Unterstützung der Stadt Hamburg in der HafenCity die "Futuruni"-Universität, tritt jedoch vom Amt des Rektors zurück, weil sein Beamtengehalt längst nicht so hoch ist, wie er vermutet hat. Alle vier "Cash-Szenarien", die Horx insgeheim für sich entwickelt hatte, werden von der auf Sparsamkeit bedachten Hamburger Bürgerschaft deutlich unterschritten.