Matt Groening hat die Familie um Vater Homer erfunden. Eine Spurensuche in seiner Heimatstadt Portland.

Portland. Der Kerl versteckt sich aber gut. Auf dem Bürgersteig ist nichts zu sehen. Irgendwo hier, vor der Lincoln Highschool in Portland (USA) muss es doch sein. Die Ecke Southwest 18th Avenue und Salmon Street ist eine trostlose Gegend. Und doch befindet sich hier ein wichtiges Erinnerungsstück populärer Kultur.

Da. Endlich. Das Bild, in dem der berühmteste Ex-Schüler der Lincoln High seine berühmteste Erfindung verewigt hat. Vom Bürgersteig schaut mit großen Augen Bart Simpson herauf. Daneben steht in Großbuchstaben: "Matt Groening, Abschlussjahrgang 1972". Homer Simpson würde sagen: "D'Oh!" Neiin!

Das Ganze ist vielleicht einen knappen Quadratmeter groß. Es sieht aus, als hätte es nur eine Minute gedauert. Dies also hat das Genie der Unterhaltung seiner Heimatstadt hinterlassen, Matt Groening, Schöpfer der bekanntesten Zeichentrickfamilie der Welt. "Die Simpsons" laufen seit 20 Jahren im US-Fernsehen, sie wurden in mehr als 50 Länder verkauft. Die Serie beleuchtet wie keine andere die Abgründe des amerikanischen Familien- und Soziallebens. Jeder liebt die Simpsons und Springfield. Nahm hier in der Schule alles seinen Anfang? "Matt Groening, Abschlussjahrgang 1972". Auf der Internetseite der Stadt in Oregon an der Westküste ergibt die Suche nach "Groening" null Treffer. Aber diese Zeichnung kann nicht alles sein, womit in Portland an die Simpsons und ihren Erfinder erinnert wird.

In Portland fahren viele Einwohner mit dem Rad. Etwa zehn Radminuten weiter nördlich der erste Fund: "NW Flanders St" steht auf dem Straßenschild. Flanders wie Ned Flanders, der Nachbar der Simpsons. Hier in Portland ist die Flanders-Street mitten in Downtown. Es gibt kein idyllisches Haus, in dem ein Jesus- und bibelbesessener Familienvater mit komischen Sprechgewohnheiten wohnen würde.

Weiter nach Norden, fünf Parallelstraßen weit: Die Kearny Street - Kearny heißt einer der drei Jungs, die Bart Simpson gern mal verprügeln. Und so geht es weiter. Die nächste Parallelstraße ist die Lovejoy Street - diesen Namen trägt bei den Simpsons der örtliche Pfarrer. Das kann doch alles kein Zufall sein? Noch ein bisschen weiter im Norden liegt die Quimby Street - sie trägt den Namen des Polizeichefs. Dann geht es über den Fluss zur Van Houten Street - Barts zumindest zeitweise bester Freund heißt Milhouse van Houten. Und schließlich, nach einer Dreiviertelstunde Rad fahren, ist die Simpson Street erreicht.

Haben Portlands Stadtobere ihren berühmten Sohn mit einer Reihe von Straßenumbenennungen geehrt? Nein. Es war umgekehrt. Matt Groening, geboren 1954, hat sich in seiner Heimatstadt Inspiration geholt. Schon zu Schulzeiten kritzelte er gern kleine Zeichnungen. 1987 bat ihn sein Freund James L. Brooks, sich eine Idee für eine Zeichentrick-Show auszudenken. Und Groening fielen die Simpsons ein. Diese kamen zunächst in der "Tracey Ullman Show" unter. Am 17. Dezember 1989 lief das erste Mal eine Simpson-Episode im amerikanischen Fernsehen.

Und es ging nur noch aufwärts: Die Sendung gewann mehr als 20 Emmys, Bart Simpson schaffte es auf die "Time"-Liste der 100 einflussreichsten Persönlichkeiten des Jahrhunderts, er und seine ganze gelbe Familie haben zusammen einen Stern auf Hollywoods Walk of Fame.

Von Hollywood knapp tausend Kilometer zurück nach Norden: Portland, der Washington Park. Nach endlosen Serpentinen durch den Wald ist das Ziel in Sicht: Evergreen Terrace. Die Straße ist so schmal, dass es keine Bürgersteige gibt. In dieser Sackgasse wohnen die Simpsons, besser gesagt, die Groenings. Allerdings ist von der Familie nur noch Groenings Mutter in Portland geblieben. Sie heißt mit Vornamen übrigens Margaret. Ihr Mann, der 1996 starb, hieß Homer. Eine von Matt Groenings Schwestern heißt Lisa, die andere heißt Maggie. Der Großvater hieß Abraham. Zur Erinnerung: Zur Simpson-Familie gehören Mutter Marge, Vater Homer, Sohn Bart, die Töchter Lisa und Maggie und Opa Abe. Groening hat in Interviews gesagt, er sei an dem Tag, als er die Namen der Simpsons erfand, nicht besonders kreativ gewesen.

Wie sehr ihn seine Heimatstadt inspiriert hat, gibt Groening gern zu. "Die Simpsons sind eine Serie, die ich als Kind gerne gesehen hätte. Es handelt sich um eine unterhaltsamere Version meiner selbst." Es ist allerdings ein Glück, dass er nicht auch den Namen der Stadt übernahm. Würden die Simpsons in Portland und nicht in Springfield wohnen, wäre nämlich der Witz, dass man nie herausfindet, in welchem Bundesstaat sie leben, dahin: Portland gibt es in den USA zwar knapp 20-mal, aber jeder würde vermuten, dass es sich um Groenings Heimatstadt handeln muss. Springfield dagegen bietet viel mehr Raum für Interpretationen - in gut der Hälfte der 50 Bundesstaaten gibt es mindestens eins. Und fast alle wetteifern um die Ehre, das wahre, das Simpsons-Springfield zu sein.