Wegen der großen Unterschiede bei den Temperaturen innerhalb und außerhalb des Tunnels spielt diie Elektrik der Lokomotiven verrückt.

Paris/London. Nach einer Pannenserie beim Eurostar sind mehr als 2000 Passagiere im Tunnel unter dem Ärmelkanal liegengeblieben. Vier Hochgeschwindigkeitszüge steckten in der Nacht zum Sonnabend über Stunden im Eurotunnel zwischen Frankreich und Großbritannien fest, ein fünfter habe die Röhre nur langsam durchfahren können, sagte ein Eurostar-Sprecher in London. Grund für die Panne war ein großer Temperaturunterschied innerhalb und außerhalb des Tunnels.

Manche Reisenden saßen mehr als 15 Stunden in den Zügen fest, bevor sie London erreichten. Mitten im Weihnachts-Reiseverkehr wurde der planmäßige Betrieb unter dem Ärmelkanal für das gesamte letzte Wochenende vor dem Fest eingestellt. Nachdem schon am Sonnabend alle Züge gestrichen worden waren, sollten die Eurostars auch am Sonntag stillstehen. Angesichts des anhaltenden Winterwetters in Frankreich wolle Eurostar Testfahrten durch den Tunnel unternehmen, um die technischen Problemen weiter zu untersuchen, teilte das Unternehmen mit.

Auch von den drei geplanten Sonderzügen, die am Sonnabendabend vor allem gestrandete ältere Leute und Familien mit Kindern wieder nach Hause bringen sollten, konnte nur einer seine Reise antreten. An den Terminals in Paris und London herrschte Chaos. Die erschöpften und frustrierten Reisenden kritisierten eine schlechte Versorgung, mangelnde Informationen und sprachen von verängstigten Reisenden. Eurostar-Chef Richard Brown versprach, die Betroffenen mit 150 Pfund (170 Euro) sowie einem Freiticket zu entschädigen und ihnen den Preis für die qualvolle Reise zu erstatten.

Als die Züge aus der eisigen trockenen Luft im Norden Frankreichs in den deutlich wärmeren und feuchteren Tunnel fuhren, legte der Temperatursprung die Elektrik der Lokomotiven lahm. „Es ist sehr kalt draußen, aber im Tunnel sind es 25 Grad und es gibt eine hohe Luftfeuchtigkeit. Das ist, als ob sie eine Bierflasche aus dem Kühlschrank in einen warmen Raum bringen, da entsteht viel Kondenswasser", erklärte Brown. Das habe die Elektronik der Lokomotiven gestört.

Ein Großteil der Passagiere wurde mit einem Shuttle aus zwei gestrandeten Zügen geborgen. Für die beiden anderen liegengebliebenen Eurostars mussten Ersatz-Diesellokomotiven her, die die Züge Richtung Südengland schoben oder zogen. „Das ist noch nie vorgekommen", sagte ein Eurostar-Sprecher. Das Unternehmen entschuldigte sich bei den Betroffenen.

In London und Paris warteten Passagiere, von denen viele in den Weihnachtsurlaub starten wollten, vergeblich auf ihre Abreise und erfuhren von den Zugausfällen über Lautsprecherdurchsagen. Als die ersten gestrandeten Passagiere am Sonnabendmorgen London erreichten, wurden sie von wartenden Angehörigen mit Applaus empfangen. Unter ihnen war auch Lee Godfrey, der mit seiner Familie unterwegs war. „Wir waren ohne Strom. Uns sind das Wasser und das Essen ausgegangen. Und die Informationen des Personals waren ziemlich schlecht“, sagte er. Kinder hätten auf den Gängen geschlafen. „Es war ziemlich beängstigend für Kinder und ältere Leute. Wir hatten eine Dame im Rollstuhl; eine Frau, die im siebten Monat schwanger war. Und wir hatten Asthma-Anfälle.“

Der Betreiber des Eurotunnels zeigte sich erstaunt. „Noch nie musste ein Eurostar-Zug in den 15 Jahren seit Tunnelöffnung evakuiert werden. Und in der vergangenen Nacht mussten wir gleich zwei Züge evakuieren und die Leute rausholen“, sagte John Keefe der BBC. In den gestrandeten Hochgeschwindigkeitszügen saßen jeweils mehr als 500 Menschen. Alle Züge waren auf dem Weg von Paris, Brüssel oder Eurodisney nach London. Für die Fahrgäste habe keine Gefahr bestanden, sagte Eurostar-Sprecher Grant Smith. In den Zügen gebe es eine batteriebetriebene Notbeleuchtung. „Die Leute sitzen nicht im Dunkeln fest.“