15 Jahre konnte sich die “Nummer zwei“ verstecken. Nach monatelanger Beschattung griffen die Beamten jetzt zu.

Palermo/Rom. Die Mafia-Jäger schlugen an einem Sonntag zu, einem Tag an dem die Sizilianer gern zu Hause bleiben. Auch Mafia-Boss Domenico Raccuglia (45) war "zu Hause", wenn man sein Versteck überhaupt so nennen kann. Nach 15 Jahren auf der Flucht konnte die Polizei die "Nummer zwei" der Cosa Nostra auf Sizilien festnehmen. Damit ist erneut ein bedeutender Schlag gegen die Organisation gelungen.

Er sei nach monatelanger Beschattung in einer Wohnung in Calatafimi bei Trapani überrascht worden. Raccuglia versuchte noch, über die Terrasse zu fliehen, aber die Polizei hatte das Haus umstellt, das Haus seiner Freunde, in dem er die vergangenen Monate Unterschlupf gefunden hatte. Auch das Ehepaar wurde festgenommen und muss jetzt mit einer Anklage rechnen, obwohl beide polizeilich bisher völlig unauffällig waren. Der Oberstaatsanwalt von Palermo, Alessandro Maragoni, nannte die erfolgreiche Blitzaktion des mobilen Einsatzkommandos "chirurgisch".

Nach seiner Festnahme strömten Sizilianer zu dem Schlupfwinkel des Mafia-Bosses sowie zum Polizeipräsidium in Palermo und kommentierten den Erfolg der Ermittler mit Applaus und Schmährufen gegen den Boss.

Nach Angaben der Polizei wollte der Mafioso in der Weihnachtszeit ein Treffen mit seiner Familie organisieren. Nun wird er das Fest hinter Gittern feiern. In seinem Versteck fanden die Fahnder unter anderem eine Schnellfeuerwaffe, Munition, Einweghandschuhe und 130 000 Euro. "Die Ausrüstung eines Profi-Killers", erklärte Staatsanwalt Francesco Del Bene aus Palermo. Außerdem fanden die Ermittler wichtige Informationen über die Hierarchie innerhalb der Mafia, ihre Befehlsstrukturen und geschäftlichen Projekte. "Keiner von den Nachbarn hat jemals etwas bemerkt", sagte der Bürgermeister von Calatafimi dem Online-Dienst "Live Sicilia".

"Mimmo" Raccuglia, genannt "Der Tierarzt", werden insgesamt fünf Morde zur Last gelegt. Dafür wurde er in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt. Besonders grausam war der Fall des 13-jährigen Giuseppe di Matteo. Der Sohn eines reuigen Mafia-Mitgliedes war 1996 entführt und später aus Rache umgebracht worden. Seine Leiche wurde nie gefunden, weil die Mafia-Mörder den Körper in Säure aufgelöst hatten. Die Tat erschütterte Italiendamals wochenlang .

Der italienische Innenminister Roberto Maroni bezeichnete die Festnahme als "härtesten Schlag gegen die Cosa Nostra in den vergangenen Jahren". Nachdem die Ermittler in den vergangenen Wochen mehrere Fahndungserfolge im Kampf gegen die kampanische Camorra und die sizilianische Cosa Nostra verbuchen konnten, hatte Maroni ein EU-weites Vorgehen gegen die Wirtschaftsinteressen des organisierten Verbrechens verlangt. Nur so könne die Mafia wirklich besiegt werden. Die italienische Polizei konnte in den vergangenen 18 Monaten mehr als 3600 Mafiosi festnehmen und ein Vermögen im Umfang von 5,6 Milliarden Euro beschlagnahmen.

Umberto Di Maggio von der Anti-Mafia-Organisation Libera sprach von einem großen Tag im Kampf gegen das organisierte Verbrechen. Raccuglia sei einer der großen Mafia-Paten gewesen, seine Festnahme sei von vielen Leuten für unmöglich gehalten worden. Tatsächlich war es dem Mafioso trotz der ständigen Bewachung seiner Frau durch die Polizei gelungen, ein zweites Kind mit ihr zu zeugen.