Die Universität von Cambridge in der beschaulichen englischen Grafschaft Cambridgeshire gehört zu den angesehensten der Welt. Alle 84 Nobelpreisträger, die sie hervorgebracht hat, haben die Auszeichnung noch nach altertümlichen, neuerdings etwas aus der Mode gekommenen Maßstäben erhalten: für das nämlich, was sie bereits geleistet haben.

Cambridgeshire. Und nicht für das, was sie gern leisten würden, wenn sie denn könnten. Und alt ist diese Uni! Sie wurde 1209 gegründet - als noch politisch inkorrekte Herrenwitze wie jener kursierten: Eine Studentin macht nur dann ihren Doktor selber, wenn sie ihn sich nicht bis zum sechsten Semester geangelt hat.

Die heutigen Studentinnen von Cambridge streben unbeirrt nach dem uralten Motto der Anstalt: "Von hier Erleuchtung und heiliges Wissen". Und einige von ihnen haben diesen Erleuchtungsauftrag recht weit gefasst. Seit diesem Jahr verfügt die Universität nämlich über das informative Online-Magazin "The Tab". "Tab" steht kurz für "Tabloid", das englische Wort für Boulevardblatt. Vielleicht wäre diese studentische Neuschöpfung unter all den hehren Publikationen der Uni unrühmlich untergegangen, würde "The Tab" nicht eine kleine Besonderheit aufweisen, die bisherigen Formaten abging: Ein spärlich bekleidetes "Seite-3-Girl" nämlich nach Vorbild britischer Boulevardzeitungen. Angesichts etwa von Emmalina Thompson, die am Caius-College der Uni studiert und nach Auskunft des Magazins Besitzerin einer Körbchengröße im mittleren alphabetischen Bereich ist, sprangen gleich in der ersten Woche 80 000 entzückte User auf die Seite. Weitgehend männliche, darf man vermuten.

Die Rubrik läuft unter dem Namen "Totty" - was man getrost mit "rattenscharfe Bräute" übersetzen kann. Doch nun regt sich Widerstand in den efeubekränzten Gemäuern. Natürlich sind die traditionellen Studentenzeitungen wie "Varsity" und "The Cambridge Student" wenig amüsiert über die freche Konkurrenz, die ihnen den Rang abgelaufen hat. Ein Führungsmitglied der Studentenunion, Natalie Szarek, forderte gar die Entfernung der Seiten, da sie eine schädliche Einstellung gegenüber Frauen verstärkten.

Die Fans von "The Tab" etikettierten die moralinsaure Studentenunion daraufhin als "traurigen Dinosaurier". Und eine zeigefreudige Studentin namens Heidi, die auf den "Totty"-Fotos im Fitnessdress posierte, brachte sowohl den Streit als auch ihren Anspruch als selbstbewusste Frau in einer daneben gedruckten Erklärung klar auf den Punkt: "Ich sehe mich als jemanden mit Hirn und Busen - eine Paarung, die die Cambridge-Kultur zu verdrängen bemüht ist." Der Kulturstreit auf dem mehr als 800 Jahre alten Campus dauert an.