Der Film “This Is It“ zeigt einen genialen Musiker, der alles gibt. Immer wieder läuft er zu Höchstform auf.

Los Angeles. Die Proben waren im Endstadium, die Show nahezu komplett. Vier Monate lang hatte Michael Jackson (gest. 50) im Staples Center von Los Angeles "This Is It" einstudiert, jene fulminante Revue, mit der er sein Comeback und gleichzeitig seinen Bühnenabschied feiern wollte - mit 50 Shows in der Londoner O2-Arena. Doch nur 18 Tage vor der Premiere starb Jackson an einer Überdosis des Schlafmittels Propofol und die Welt fiel in tiefe Trauer.

Nun erlebte in der Nacht zu gestern weltweit der Film "This Is It" Premiere, der dokumentiert, wie diese Show hätte werden sollen. In Berlin war es das keineswegs ausverkaufte Cinestar im Sony Center, in dem sich nachts der Vorhang für den Abgesang auf den "King of Pop" öffnete. In Hamburg wurde der Film in Cinemaxx am Dammtor gezeigt. Ein "Making of" sozusagen für ein Spektakel, das es nicht mehr ins Live-Rampenlicht geschafft hat. Und das den Entertainment-Konzernen Anschütz und Sony das Geld zurück in die Kasse spielen soll, das sie durch den tragischen Tod des Entertainers in den Sand gesetzt haben.

So haftet diesem Filmprojekt durchaus der Ruch der Leichenfledderei an. Zumal im Vorfeld viele nicht daran glauben wollten, dass der gesundheitlich angeschlagene Michael Jackson überhaupt 50 Shows durchstehen würde. Und dass dieser Musikfilm letztlich eine einzige große, digital aufgebrezelte Lüge sein würde, um von den gierigen Produzenten den Makel der schamlosen Ausbeutung eines gefallenen Stars zu nehmen.

Ja, da mag auch etwas dran sein. Und dennoch ist "This Is it", diese letzte künstlerische Äußerung eines der letzten großen Entertainer unserer Zeit, ein bewegendes Dokument geworden, das einen Musiker zeigt, der noch einmal zu Hochform auflaufen will, der sich in irrwitzigen Choreografien verausgabt, der gut bei Stimme ist und sich mit Hingabe diesem Projekt aussetzt. Aus mehr als 100 Stunden Filmmaterial, die während der Proben in L.A. mitgeschnitten wurden, hat Kenny Ortega, der auch Regisseur der Bühnenshow war, akribisch und in bestem Sound nachempfunden, was die Besucher der Live-Konzerte erwartet hätte, unterbrochen nur durch wenige kurze Audition- und Interviewszenen mit den Musikern und Tänzern.

Im Vorspann ist die Widmung zu lesen: "Für die Fans". Und die werden ihre helle Freude haben an "This Is It". Nichts Neues gibt es da, sondern eine Art "Best of Michael Jackson"-Inszenierung von "Starting Something" und Hits der Jackson Five über "Smooth Criminal" und "Billie Jean" bis "Black And White". Die Filme, die Ortega drehen ließ, um die Show zu illustrieren, darunter auch ein neues "Thriller"-Video, sind ebenso eingebunden wie die Proben für aufwendige Pyrotechnik-Effekte. Jackson hat die Szenerie - zumindest in diesen ausgewählten Szenen - stets fest im Griff. Er weiß genau, was er will. Mal sind ihm die Monitor-Kopfhörer zu laut, dann wieder macht er seinem musikalischen Leiter Michael Bearden klar, dass er nichts von Alleingängen hält und die Stücke genauso haben will, wie er sie einst auf Platte aufgenommen hat. Oder er bricht einfach ab, um Bewegungsabläufe zu modifizieren.

An unterschiedlichster Bühnenkleidung in ein und demselben Song merkt man, dass die Stücke aus zwei und mitunter sogar drei Aufnahmesessions zusammengebaut wurden, dabei ist der Sound so gut, dass man an einer Live-Situation zweifeln möchte. Und doch ist "This Is It" das gelungene musikalische Vermächtnis eines am Starruhm gebrochenen Musikers geworden, der nur im Studio und auf der Bühne sein wirkliches Leben leben konnte. Die Strahlkraft dieses Mannes, seine Genialität und seine entwaffnende Ausstrahlung werden mit "This Is It" noch einmal lebendig. Die Vermutung, dass ihn der Stress und die Anstrengung für diesen Parforceritt das Leben gekostet haben, bleibt allerdings.