Sie kämpfte sich nach Rückschlägen immer wieder zurück auf die Bühne - diesmal mit einem neuen Lied.

Riesa/Hamburg. Ihr letztes Konzert 2007 hatte nicht einmal 30 Minuten gedauert, dann brach Schlagerstar Michelle erschöpft zusammen. Vor den Augen ihrer Erfurter Fans wurde sie von der Bühne getragen. Nach diesen dramatischen Momenten beschloss die damals 35-Jährige ihren "endgültigen" Rückzug aus dem Showgeschäft. Es war nicht der erste - und sollte auch nicht der letzte sein.

Am Sonnabend feierte Michelle beim "Herbstfest der Volksmusik" in Riesa (Sachsen) laut ARD-Moderator Florian Silbereisen (28) "das Comeback des Jahres". Strahlend schön und blond wie nie sang sie "Goodbye" aus ihrem neuen Album "Goodbye Michelle". Als wolle sie das Wechselspiel auf die Spitze treiben, kam dann auch gleich der Abschied: "Lass uns als Freunde gehen, ich will keine Träne sehen. Vergiss mich nicht so schnell, sag Goodbye, Michelle."

Mit diesen Worten sagt der zierliche, schicksalsgeplagte Privatmensch Tanja Shitawey Lebewohl zum erfolgreichen und glamourösen Bühnenstar Michelle. Denn seit ihren ersten Auftritten mit 14 Jahren lebt die heute 37-Jährige das Leben zweier Personen. Als Kind reißt Tanja Hewer oft von zu Hause aus. Ihre Mutter Gerlinde trinkt schon morgens, später am Tag verprügelt Vater Rudolf die Tochter. Mit zehn landet Tanja immer wieder im Krankenhaus. Später kommt sie zu einer Pflegefamilie. Zuneigung oder Liebe - so etwas habe sie zu Hause nie erfahren. Mit 14 Jahren beginnt Tanja, sich aus dem Kindheits-Albtraum in die Musik zu flüchten. Zehn Jahre später ist aus dem Problemkind Tanja das Schlagerwunder Michelle geworden. 2001 ist sie zweifache Mutter, zum zweiten Mal verheiratet und Achte beim Grand Prix Eurovision in Kopenhagen. Das Schicksal scheint sich für Tanja Shitawey alias Michelle zum Guten gewendet zu haben.

Doch schon im Frühjahr 2003 erleidet Michelle vor einem Konzert einen Schlaganfall. Der zierliche Körper erholt sich von der Katastrophe, aber die Psyche ist angeknackst: Es folgen schwere Depressionen, ein Selbstmordversuch. Trotzdem ist sie 2006 zurück in der Öffentlichkeit - gar nicht depressiv mit Nacktfotos im "Playboy" und einem neuen Album. Es folgt die Privatinsolvenz.

Auch am Sonnabend war sie in beiden Rollen im Fernsehen. Neben ihrem eigenen Auftritt als Schlagerstar war sie beinahe zeitgleich und weniger strahlend als Mutter zu sehen: Tochter Céline (13) gab in der RTL-Casting-Show "Das Supertalent" ihre Gesangspremiere (Aufzeichnung). Und das, obwohl Michelle doch weiß, wie schonungslos das Musik-Geschäft sein kann. "Ich war als Einzige in der Familie absolut dagegen", verteidigt sie sich. "Ich will Céline beschützen." Aus ihrem Privatleben hat Michelle bis heute nie ein Geheimnis gemacht - auch nicht aus ihrem wohl schrecklichsten Schicksalsschlag: der Totgeburt ihrer Tochter Ronja in diesem Jahr. Trotz allem versucht Tanja, nicht zu verzweifeln, nicht durchzudrehen, wie ein glücklicher Mensch zu wirken. Wie schafft sie das? Tanja findet Kraft und Trost in ihrem Glauben an übersinnliche Kräfte - auch das ist eine ihrer Seiten. "Ich weiß, wie mein persönlicher Schutzengel aussieht", sagt sie der "Bild am Sonntag". Er sei groß, mit dem Gesicht einer Frau und dennoch ein Mann. Außerdem habe sie gelernt, Dinge zu akzeptieren. Und wo war ihr Schutzengel, als Ronja starb?

"Ein Schutzengel ist nicht dazu da, dich vor allem zu bewahren", sagt Michelle. Trotzdem versuche sie häufig, mit ihm zu sprechen. Außer dem Schutzengel gibt es noch einen Geist in ihrem Haus. "Der trägt einen Mantel und einen Pagenschnitt." Einen Therapeuten habe sie übrigens nicht nötig. "Ich bin ein Stehaufmännchen." Wenn sie das nicht ist, ist Tanja Shitawey Sängerin, Mutter, ungeliebte Tochter, Nacktmodel, Hundesalonbesitzerin - eine Frau mit vielen Gesichtern, aber ohne Geheimnisse.