Giorgio Armani ist nach schwerer Krankheit wieder fit - und seine Mode wirkt viel jünger als sonst.

Mailand. Nimm es leicht und hab Spaß - dieses Motto scheint die gestalterische Hand der neuen Kollektion von Giorgio Armani für die nächste Frühjahr-Sommer-Saison geführt zu haben. Die Schuhe sind, und das darf durchaus als Statement gewertet werden, flach und bequem, die Röcke kurz, die Hosen gemütlich, die Farben froh, vor allem Meerestöne von Hellblau über Petrol bis Grau, einschließlich des Glitzerns im Sonnenlicht. Dazu ein bisschen Lila und Rot. Man ist geneigt, die Entwürfe, die Unbeschwertheit vermitteln und sich absetzen vom Trend zu Stelzenschuhen und betonten Schultern, über eine modische Aussage hinaus wie ein persönliches Statement zu deuten. Denn Giorgio Armani hat schwierige Monate hinter sich. Ausgerechnet im Jahr der Krise wurde er ernstlich krankt, litt seit Mai an einer schweren Hepatitis. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie des Schicksals, dass sich ausgerechnet der so körperbewusste, asketisch und vernünftig lebende Armani eine Erkrankung zuzog, die üblicherweise durch falsches Essen oder viel Alkohol ausgelöst wird. Genaues weiß man nicht, aber es war offenbar eine ungeahnte Folge von Proteingetränken beim Sport.

Doch wer unkte oder fürchtete, eine Ära gehe nun zu Ende, der wurde am Donnerstagnachmittag in Mailand eines Besseren belehrt. Armani ist immer noch und wieder da. Wirklich weg war er auch nicht, aber er sah eben erschreckend elend aus in den letzten Monaten. Ein barocker Typ war der 75-Jährige nie, aber er strahlt wieder Fitness und Zähigkeit aus. Allein die Ärmel seines wollenden Markenzeichens, dem T-Shirt, sind an diesem warmen Tag unerwartet lang. Doch die blauen Augen im gebräunten Gesicht sind von jenem Glanz, der auch die schönsten der neuen schulterfreien (!) Schlauchkleider überzieht.

Der Andrang auf Armanis Modestatement ist so groß, dass es zwei Schauen gibt, auch wenn der Saal an der Via Bergognone angenehm weich gepolsterte 557 Plätze bietet.

Jünger als sonst wirkt die Kollektion, als gelte es, auch die Töchter der treuen Kundinnen zu unterhalten, respektive die Mütter daran zu erinnern, wie unbeschwert sie selbst einmal waren. Das ist kein Powerdressing mehr, sondern kultiviertes Sommerurlaubsgefühl.

Die Haltung erinnert an die veränderte Herangehensweise an den eigenen Stil, die Jil Sander nach ihrer ersten Auszeit vom eigenen Label präsentierte. In der ungekannten Freizeit hatte die Hamburgerin das Leben außerhalb von Büro und Alltag entdeckt und nach ihrer Rückkehr modisch übersetzt.

Giorgio Armani hat viel Zeit im Sommer am Meer verbracht und "gelernt, das Zuhause mit Katzen und Hunden und Mitarbeitern zu schätzen", wie er im Interview erklärte. Früher habe er sich eher wie ein Gast im eigenen Haus gefühlt. Die Krankheit zwang den Alleinherrscher über ein Zwei-Milliarden-Imperium, heimische Geborgenheit zu entdecken. Schwester Susanna versorgte ihn fürsorglich mit den kleinen Teigfischchen mit Ricotta-Spinatfüllung, dessen Rezept nur sie beherrscht. Und jeder war froh, dass er wieder anfing zu essen.

So krank zu werden, war ein lauter Warnschuss, aber anders hätte der umtriebige Armani ihn nicht wahrgenommen. Wer hört auf sein Inneres, wenn die volle Aufmerksamkeit der Perfektion gilt? Getreu dem Leitsatz: "Wenn möglich, delegiere ich nicht. Und wenn, dann kontrolliere ich es." Und das bei einem Lifestylekonzern, der aus fünf großen Marken besteht! Nun sollte man aber nicht glauben, dass Armani in Zukunft nachsichtig lächelnd durch sein Unternehmen streifen wird, er ist der Kopf, der Chef, der Kreative, der Entscheider. Aber, ein Klassiker, die Auszeit hat ihn gelehrt, "sentimentale Werte" zu würdigen. "Ich will versuchen, nicht mehr aggressiv und gemein zu sein", verkündete er ungewohnt selbstironisch in einem Gespräch mit dem amerikanischen Modefachblatt "Woman's Wear Daily". Das sollte nur keiner als Schwäche interpretieren. Armani bleibt Armani treu.

So wie er nicht panisch auf die Krise reagierte, vielmehr gerade eine große Emporio-Boutique in Berlin eröffnete, wird er auch sonst seinem Instinkt, der ihm mehr als 30 Jahre treu dient, folgen. "Ein Designer, der auf jede Veränderung und kulturelle Trends reagiert, kommt leicht aus dem Tritt." Das wird Armani nicht passieren. Vielleicht prophezeit er deshalb lächelnd: "Überhohe Schuhe sind out."