Aus sicherer hanseatischer Entfernung kann man's womöglich ganz behutsam schreiben, ohne gleich wie beim Steuerstreit als teutonischer Steinbrück beschimpft zu werden.

Es gibt flottere (Z)Eidgenossen als den Schweizer an sich. Hier und da in Helvetia dauern die Dinge, weil sie halt dauern. Die Schweizer Uhren sind schließlich nur deswegen so pünktlich, weil sie sich nicht wegen jedes Bisschens hetzen lassen.

Aaaber - und das ist ein großes, respektvolles Aber: Der Schweizer an sich kann dann auch mal anders, wenn es sein muss. In den Oberwalliser Gemeinden Fiesch und Fieschertal muss es nun sein. Dort wird seit 331 Jahren alle Jahre wieder ein Gelübde abgelegt, man wolle tugendhaft leben und beten, damit der Aletschgletscher bloß nicht weiter wächst. Damals war das ein echtes Problem; um der Bitte nach ganz oben noch etwas mehr Nachdruck zu verleihen, wurde der Einsatz des Tugendversprechens anno 1862 um eine Prozession aufgestockt.

Doch der Aletschgletscher denkt mittlerweile gar nicht mehr an bösartiges Wachstum. Im Gegenteil: Er schmilzt und schmilzt wie Toblerone in der Sonne. Nun könnte man vermuten, dass die moraltheologisch relevanten Versuchungen und Ablenkungsmöglichkeiten in Fiesch und Fieschertal schöner und größer sind, als man glaubt. Aber der Grund für das Schrumpfen ist ein ganz profaner: Der Klimawandel machte einen Strich durchs Gelübde der Oberwalliser. Deswegen haben die Anwohner jetzt die Eingabestelle des Vatikans bemüht, ob man nicht vielleicht das Kleingedruckte im Gebet ein ganz klein wenig anders formulieren könnte, ohne sich gleich den Zorn des zuständigen Bodenpersonals zuzuziehen. Der Gletscher soll wieder wachsen. Je schneller, desto besser. Und da der Papst ja in seiner Osterbotschaft vor dem Klimawandel gewarnt hat, könne er jetzt seinen Worten Taten folgen lassen, argumentierte ein pfiffiger Lokalpolitiker.

Das Wort der Oberwalliser im Gehörgang von Gottes Stellvertreter? Die Chancen für grünes Licht für das Gelübde-Update stehen nicht schlecht, denn das Alpenvolk hat durch seine Garde in Rom seit Jahrhunderten einen Dauerbonus beim jeweiligen Heiligen Vater. Eine Audienz sei schon anberaumt, heißt es, die Entscheidung von Papst Benedikt XVI. wird für Oktober erwartet. In Schweizer Zeitrechnung also praktisch sofort.