Nur noch halb so viele Sitzplätze im Angebot. Auch die Verbindung Hamburg-Berlin ist betroffen.

Berlin. Auf zwei der wichtigsten ICE-Strecken der Deutschen Bahn fahren zurzeit nur noch halb so lange Hochgeschwindigkeitszüge wie üblich. Von Hamburg nach Berlin gab es bisher zum Beispiel 53 Sitze in der 1. Klasse und 304 in der 2. Klasse. Sie sind nun halbiert. Die Folge: Es kommt zu Gedränge. Platzkarten verfallen. Grund: Die Achsen der beiden modernsten Typen müssen nach einem Unfall mit einem ICE-3 und einem Riss in einer Welle eines ICE-T in kürzeren Intervallen überprüft werden. Doch darauf ist die Bahn weder mit der Zahl der Prüfer noch mit der der Prüfgeräte eingestellt. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu den Folgen dieser Maßnahme:

Ist ICE-Fahren nun gefährlicher? Laut Bahnvorstand Karl-Friedrich Rausch nicht. Im Gegenteil: Die Maßnahme sei vorsorglich ergriffen worden, um "weiterhin jedes Risiko auszuschließen". Das Eisenbahn-Bundesamt prüft allerdings, ob es weitere Maßnahmen geben muss.

Welche Linien sind betroffen? Linie 28 Hamburg-Berlin-Leipzig-München, die von ICE-T-Zügen, der Neigezugvariante des ICE-3, bedient wird. Hier verkehren nur einteilige Züge. Linie 50 Wiesbaden-Frankfurt-Leipzig-Dresden verkehrt grundsätzlich einteilig auf dem Laufweg Wiesbaden-Leipzig. Zwischen Dresden und Leipzig fallen die ICE-T aus; es verkehren lokbespannte Ersatzzüge. Linie 91 Dortmund-Koblenz-Mainz-Frankfurt-Nürnberg-Passau-Wien verkehrt grundsätzlich einteilig. Linie 87 Stuttgart-Singen-Zürich verkehrt planmäßig, aber meist nur in einfacher Ausführung anstelle zweier aneinandergekoppelter Triebzüge.

Was geschieht mit einer Reservierung für den nicht eingesetzten Zugteil? Sie verfällt; die Bahn hat versprochen, die Reservierungsgebühr zu erstatten. Wer ab jetzt reserviert und noch einen Sitzplatz erhält, kann sich laut Rausch darauf verlassen, dass dieser Platz auch angeboten wird, weil die Reservierungssysteme die ausfallenden Züge bereits "gestrichen" haben. Alle anderen Fahrgäste müssen sich darauf einstellen, nur noch einen Stehplatz zu bekommen.

Bis wann dauern diese Einschränkungen? Nach Angaben der Bahn bis Ende nächster Woche; danach ist der Rückstand so weit aufgeholt, dass die meisten Verbindungen wieder doppelt bespannt werden können.

Wie wird eine Achse geprüft? Sie wird in einem ICE-Werk mehreren Ultraschall-Untersuchungen unterzogen - "geschallt", wie es im Bahnjargon heißt. Wird ein Riss entdeckt, wird die Achse ausgebaut und weiter untersucht beziehungsweise instand gesetzt oder ausgetauscht. Die kritische Tiefe ist zurzeit zwei Millimeter. Ein solch tiefer Riss wurde jetzt bei einer Routinekontrolle bei einem ICE-T, der Neigevariante des ICE-3, gefunden und hat die Zusatztests ausgelöst.

Warum hat das so gravierende Auswirkungen auf den Verkehr? Ein ICE-3 hat 32 derartige Wellen, die Untersuchung eines ganzen Zuges dauert etwa 16 Stunden. Normalerweise wird dazu weitgehend die Nacht genutzt. Nachdem das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) für Anfang Oktober ein Intervall von 30 000 statt 60 000 Kilometern angeordnet hat, verdoppelte sich unerwartet die Zahl der Untersuchungen, sodass vorübergehend auch tagsüber "geschallt" werden muss. Nachdem jetzt aber nicht nur der ICE-3, sondern auch der ICE-T geprüft werden muss, sind die Bahnmitarbeiter völlig überlastet. Das EBA wollte ursprünglich die kritische Tiefe auf einen Millimeter herabsetzen, stieß damit aber auf Widerstand bei der Bahn, sodass das Intervall verkürzt wurde. Vom Hersteller aus würde eine Überprüfung alle 480 000 Kilometer genügen.

Wer ist an allem schuld? Das ist noch offen. Laut Bahn deutet einiges darauf hin, dass es sich um einen Materialfehler handeln könnte. Personenverkehrs-Vorstand Karl-Friedrich Rausch stellte dies gestern aber unter ausdrücklichen Vorbehalt des offiziellen Ergebnisses der Untersuchung des Achsbruches unter einem ICE-3 vom 9. Juli in Köln. Das liegt noch nicht vor. Offiziell erklärt die Bahn, "dass sie nach europäischen Zulassungsnormen zertifizierte und damit sichere Züge gekauft hat".