Die Plage ist eine Folge der Überfischung. Aber auch der Klimawandel spielt eine Rolle.

Palma de Mallorca. Zahlreiche Küsten am Mittelmeer werden derzeit von einer Quallenplage heimgesucht. Riesige Schwärme nehmen Kurs auf die Balearen mit der liebsten Urlaubsinsel der Deutschen: Mallorca! "Wir konnten vier immens große Ansammlungen von Feuerquallen beobachten, besonders im Kanal zwischen Mallorca und Menorca. Wir waren sechs Stunden mit dem Boot unterwegs und sahen ununterbrochen Quallen", warnt Dr. Dacha Atienza vom Institut für Meereswissenschaften in Barcelona. Die Quallendichte von acht bis 15 Stück pro Quadratmeter Wasseroberfläche sei außergewöhnlich groß. Die Leuchtquallen, auch Feuerquallen (Pelagia noctiluca) genannt, haben Nesselkapseln an ihren Tentakeln, die die menschliche Haut durchdringen können. Das Quallengift löst starkes Brennen aus, doppelt so schmerzhaft wie durch Brennnesseln. Bisher haben nur wenige Quallen die Badestrände erreicht, doch durch die Strömung kommen die Schwärme den Inseln immer näher. Fischerboote kontrollieren die Küsten, um so viele Tiere wie möglich mit Netzen einzufangen. Die Regierung zahlt Fangprämien.

An der kantabrischen Atlantikküste Nordspaniens droht eine größere Gefahr. "Dort ist die hochgiftige Quallenart Physalia physalis aufgetaucht, das sind sogenannte Portugiesische Galeeren", bestätigt die Meeresforscherin Veronica Fuentes. Seit Sommeranfang wurden drei Badegäste durch das Gift so schwer verletzt, dass sie in Krankenhäuser gebracht werden mussten. Einzelne Strände sind gesperrt. Die bläulichen Giftquallen haben eine Gasblase mit segelartigem Kamm, sodass sie wie Galeeren vom Wind übers Wasser getrieben werden. Ihre Fangtentakel reichen bis 50 Meter in die Tiefe und sind mit sehr starken Giftkapseln besetzt. "Sie können für Menschen tödlich sein", so die Wissenschaftlerin.

Schon in der vergangenen Woche hatte der ADAC vor einer Feuerquallen-Plage an der französischen Mittelmeerküste zwischen Cannes und Cagnes-sur-Mer gewarnt. Auch in der Adria vor Italien tummeln sich die Plagegeister häufig.

"Es gibt einen Trend zu wachsenden Quallenzahlen", erklärt Ulrich Sommer vom Leibniz-Institut für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR) in Kiel. Allerdings heißt das nicht, dass jedes Jahr mehr Quallen als im Vorjahr gezählt werden. Ganz im Gegenteil schwanken die Zahlen von Jahr zu Jahr erheblich. Und da Wind und Strömungen die glibberigen Tiere je nach Wetterlage an verschiedene Strände spülen können, gibt es keine zuverlässigen und langfristigen Prognosen über ihr Auftreten an bestimmten Küsten.

Langfristig aber stehen die Zeichen bei den Quallen auf Wachstum, zu dem menschliche Aktivitäten offensichtlich den Anstoß gaben. Ulrich Sommer jedenfalls nennt zwei Gründe, die den Weg für Quallen frei machen: Überfischung und Klimawandel. Steigen die Temperaturen, ändern sich die Bedingungen im Meer erheblich. So entwickeln sich die Eier einiger Fischarten nur bei bestimmten Temperaturen. Wird es wärmer, bleibt dann unter Umständen der Nachwuchs aus. Solche Probleme können natürlich auch Quallen bekommen. Die Glibbertiere aber haben einen entscheidenden Vorteil, weil sie sich schneller vermehren als die meisten Fische. Wer sich schneller vermehrt, kann sich aber auch rascher an veränderte Bedingungen anpassen.

Die Fangflotten der Welt spielen die andere Hauptrolle beim Vermehren der Quallen. Weil sie immer mehr Heringe und andere Fische fangen, geht die Zahl der Fische drastisch zurück, die in den Weltmeeren schwimmen. Heringe und die Larven des Kabeljau aber ernähren sich von winzigen Krebsen und anderen Tierchen, die im Wasser schweben und die Meeresbiologen "Zooplankton" nennen. Sind die Weltmeere also wie zurzeit kräftig überfischt, gibt es mehr Zooplankton. Davon aber ernähren sich auch Quallen, erklärt Kristina Barz vom Alfred-Wegener- Institut in Bremerhaven. Überfischen die Fangflotten also die Meere, füttern sie gleichzeitig die Quallen, die später als Plage die Strände besuchen.

Ein wenig Mitschuld an den Quallenplagen könnten aber auch die Strandurlauber selbst haben. Seit der Tourismus zwischen Spanien und der Türkei boomt, verloren viele Meeresschildkröten ihre Brutplätze, die an den gleichen Stränden liegen, auf denen sich jetzt die Sonnenanbeter aalen. Dadurch werden die Meeresschildkröten immer seltener, die zu den wenigen Tieren gehören, die Quallen fressen.

Wer dagegen seinen Urlaub an der Ostsee verbringt, hat mit Feuerquallen sehr selten zu tun. "Hier treiben meist nur Ohrenquallen", erklärt Ulrich Sommer. Ihre Nesselkapseln durchdringen die Haut eines Menschen nicht und können so auch kein Gift injizieren. Eine Berührung mit den glibberigen Organismen ist daher zwar unangenehm, aber absolut ungefährlich. "Die Feuerqualle kann sich hier nicht vermehren, weil das Wasser der Ostsee zu wenig Salz enthält", gibt Ulrich Sommer Entwarnung. Und sie wird nur selten mit dem Wind angetrieben.