Fast 200 Jahre lang galt er in Weimar als Original. Jetzt steht fest: Der Schädel des genialen Denkers ist nicht echt.

Weimar. Der Sarg Friedrich Schillers in der Weimarer Fürstengruft bleibt von nun an leer. Das Skelett, das darin fast 200 Jahre aufbewahrt worden war, ist nicht das des großen deutschen Dichters, wie eine DNA-Analyse der menschlichen Überreste jetzt zweifelsfrei ergeben hat.

Damit löste ein internationales Forscherteam eines der größten Rätsel in der Stadt der deutschen Klassik. "Wir haben die Wahrheit herausgefunden", sagte Hellmut Seemann, Präsident der Klassik Stiftung Weimar. "Wir können nicht jährlich 60 000 Menschen vor einen Gegenstand treten lassen, der nichts mit Schiller zu tun hat." Der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) förderte in seiner am Wochenende gesendeten TV-Dokumentation "Der Friedrich-Schiller-Code" noch weitere Überraschungen zutage.

So stellte sich heraus, dass in dem Schiller-Sarg die Überreste von drei verschiedenen Menschen lagen. Ihre Identität kann nicht mehr geklärt werden. Dafür konnten die zwei anderen Schädel aus der Fürstengruft, die jeweils ebenfalls zu echten Überresten Schillers erklärt worden waren, identifiziert werden. Einer der Totenköpfe gehörte dem Weimarer Großherzog Ernst August. Der dritte Schädel, der von einem Tübinger Forscher 1911 in Weimar ausgegraben und als der echte Schiller-Schädel in der Fürstengruft beigesetzt wurde, gehörte Luise von Göchhausen, einer buckligen Weimarer Hofdame von Herzogin Anna Amalia.

Das Chaos mit Schillers Knochen begann schon 21 Jahre nach dessen Tod im Jahr 1805. Er war zunächst im Weimarer Kassengewölbe in einem Massengrab für angesehene Persönlichkeiten bestattet worden, die kein Familiengrab hatten. Dann wurde versucht, unter der Vielzahl der Toten die sterblichen Überreste des Dichters zu bergen. Ausgegraben wurden 23 Schädel, von denen der Schiller-Fan und Weimarer Bürgermeister Carl Leberecht Schwabe in dem größten Totenkopf den Schillers erkennen wollte.

Für ein halbes Jahr nahm sich Johann Wolfgang von Goethe den vermeintlichen Schädel seines Freundes mit nach Hause. 1827 wurden die Schiller zugeschriebenen Überreste in die neu erbaute Fürstengruft überführt. Der Goethe-Sarg folgte 1832. Fast 100 Jahre später, im Jahr 1911, wurde im Kassengewölbe der zweite Schädel geborgen und Schiller zugeordnet.

Seitdem hat die Frage um die Echtheit der Schädel den Streit unter Wissenschaftlern immer wieder neu entfacht. Das heutige Forscherteam ging zunächst von der Echtheit des Schiller-Schädels im Sarkophag aus - zu groß waren die Übereinstimmungen des Kopfes mit Totenmaske, Gemälden und Büsten. Und nun?

Stiftungspräsident Seemann: "Ich vermute jetzt, dass sich die sterblichen Überreste von Schiller auf dem Jacobsfriedhof in Weimar befinden könnten. Dort nach dem echten Schiller-Schädel zu suchen halte ich für möglich." Allerdings würde er einem solchen Vorhaben "nicht die Hand reichen".