“Ein Dorf nach dem anderen wurde dem Erdboden gleichgemacht.“ Größter Mangrovenwald der Welt zerstört.

Dhaka. Leichengeruch steht in den Straßen Swarankholas, einem kleinen Fischerdorf im Süden Bangladeschs. Drei Tage nachdem der Zyklon "Sidr" über die Region hinwegfegte und fünf Meter hohe Wellen über die Küsten hereinbrachen, ist der Weg durch den Ort wie der Gang durch ein Tal des Todes. Männer, Frauen und Kinder weinen um ihre toten Verwandten, die immer noch aus den Trümmern der Häuser und aus den überfluteten Feldern oder Flüssen geborgen werden. Bis gestern waren es in ganz Bangladesch schon 2300. Die Hilfsorganisation Roter Halbmond fürchtet, dass die Zahl auf bis zu 10 000 Tote steigen könnte.

Einer der Dorfbewohner zieht einen Toten aus dem Fluss Baleswar. "Bitte gebt uns auch Kleider, damit wir die Leichen einwickeln können", fleht er die Besatzung eines Hubschraubers der Luftwaffe an, die Lebensmittel, Trinkwasser und Medikamente gebracht haben. Insgesamt leiden rund 2,7 Millionen Menschen unter der Naturgewalt: Nach Schätzung der Regierung wurden 773 000 Häuser beschädigt, 250 000 Stück Vieh und Geflügel verendeten, und die Ernte in weiten Gebieten wurde vernichtet. Hariprasad Pal, Verwalter der Provinz Jhalokati: "Jedes Dorf, eines nach dem anderen, wurde dem Erdboden gleichgemacht."

Am Wochenende lief, unterstützt von Schiffen der nationalen Streitkräfte, die internationale Hilfe an. Die EU gab 1,5 Millionen Euro und die Bundesregierung in Berlin zusätzlich 700 000 Euro Soforthilfe.

"Sidr" war der schwerste Wirbelsturm in Bangladesch seit Langem. Bei dem letzten schweren Zyklon 1991 waren rund 143 000 Menschen ums Leben gekommen. 1970 starben bei dem bislang schlimmsten Wirbelsturm rund eine halbe Million Menschen. Im Falle von "Sidr" habe ein Frühwarnsystem der Regierung offenbar unzähligen Menschen das Leben gerettet, sagt Uno-Koordinatorin Renata Dessalien.

Viele Regionen stehen immer noch tief unter Wasser. Monir Hassan von einer örtlichen Hilfsorganisation warnt vor der Ausbreitung von Krankheiten: "Durchfall und andere durch Wasser übertragene Krankheiten sind in vielen Dörfern ausgebrochen."

Der Bauer Sattar Gazi (55) aus dem Dorf Nishanbari: "Wir waren in den vergangenen Tagen ohne Wasser und Essen." Er verlor sechs Verwandte. "Ich habe Angst, dass wir restlichen drei verhungern."

Dem Sturm ist auch der größte Mangrovenwald der Welt zum Opfer gefallen. Die Sunderbans im Ganges-Delta, die zum Welterbe der Menschheit gehören und seltene Tiere wie Tiger und Flussdelfine beherbergen, stellen einen natürlichen Schutz vor Stürmen dar. Doch "Sidr" mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 240 km/h war zu stark.