Sie wurden als Ketzer auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Zu Unrecht, beweisen jetzt Dokumente.

Rom. Steht der sagenumwobene Templerorden vor einer späten Rehabilitation? Macht die Kirche gar die Auflösung der mittelalterlichen Rittervereinigung, die nach der Eroberung Jerusalems 1099 das christliche Königreich Jerusalem schützte, wieder rückgängig? Hohe Erwartungen und Spekulationen hat die angebliche Sensation ausgelöst, per Zufall seien im Vatikan die verschollenen Prozessakten gegen die Templer wieder aufgetaucht. Der Dokumentationsband "Processus contra Templarios" wird am 25. Oktober vorgestellt. Dass der Vatikan den Vorgang hoch einstuft, zeigt die Ankündigung, dass der Leiter von Vatikan-Archiv und -Bibliothek, Erzbischof Raffaele Farina, daran teilnehmen werde. Per Zufall hatte eine junge Wissenschaftlerin vor sechs Jahren in einem Depot des Vatikan-Archivs die Abschrift des Prozesses von Chinon aus dem Jahre 1308 gegen den Templer-Großmeister Jacques de Molay und weitere Anführer des Ritterordens entdeckt. Aufgrund einer Panne, aus Schlampigkeit oder möglicherweise auch gezielt hatte im 17. Jahrhundert ein Archivar das Dokument an falscher Stelle abgelegt. Barbara Frale, die wegen eines anderen Vorgangs recherchierte, stieß auf die Papiere eines angeblich unbedeutenden Verfahrens - bis sie sich bewusst wurde, was sie da in Händen hielt: "Ich wollte es nicht glauben." Atemlos sei sie zum Präfekten des Archivs gelaufen, der sie mit den Worten beruhigt habe: "Dottoressa, dieses Archiv ist immens, es gibt von allem etwas. Ihre Entdeckung ist nur eine von denen, die möglich sind." Die Dokumente widerlegen die Behauptung des französischen Königs Ludwig des Schönen, dass die Templer Häretiker gewesen seien, weshalb er die Spitzen des Ordens lebendig auf dem Scheiterhaufen verbrennen ließ.

Dem König, der Interesse an dem reichen Besitz der Templer hatte, kamen Gerüchte und Vorwürfe gegen den Orden gerade recht. Man warf ihnen Götzendienst, eine Nähe zum Islam oder auch zu den umstrittenen Katharern vor. Zudem beschuldigte man sie blasphemischer Riten bei der Aufnahme neuer Ritter - etwa Bespucken des Kreuzes - sowie der Sodomie, was nach damaliger Diktion Homosexualität bedeutete. Clemens V., der damals in Avignon residierte und wie die Päpste der Ära unter starkem Einfluss des französischen Königs stand, ordnete eine kirchliche Untersuchung an. Drei beauftragte Kardinäle suchten Jacques de Molay in seinem Gefängnis in Chinon auf. Am 20. August 1308 - so das entdeckte Dokument - habe die Kommission den Vorwurf der Häresie fallen gelassen und stattdessen auf das weniger gravierende Delikt der Apostasie (Glaubensabfall) erkannt. Vor der Hinrichtung konnte die päpstliche Entscheidung die Templer-Spitze nicht mehr retten. Der Orden wurde 1312 aufgelöst und das Vermögen eingezogen. Jacques de Molay soll noch auf dem Scheiterhaufen an Notre Dame in Paris am 18. März 1314 König und Papst verflucht haben. Fest steht, dass sowohl Papst Clemens V. ( 20. April 1314) als auch Philipp IV. der Schöne ( 29. November 1314) nur wenig später starben.

Welche Folgen der Fund für den Orden und seine historische Bewertung hat, wird sich zeigen. Um den Untergang der Templer ranken sich dubiose Gerüchte und Legenden, bis hin zu fantastischen Spekulationen à la "Da Vinci Code" und "Indiana Jones". Auf jeden Fall hat nun auch die seriöse Forschung wieder Gründe, sich damit zu beschäftigen.