London. In Drachten in der Provinz Friesland setzten die Niederländer Zeichen für die Zukunft: Die Kleinstadt hat alle Stopp- und Vorfahrtsschilder, alle Ampeln und auch die Fahrbahnmarkierungen auf der Straße entfernt. Nicht einmal mehr die Grundregel rechts vor links gilt im Verkehr. Dafür wurde auf Kreisverkehr gesetzt. Das Experiment zur Verkehrsberuhigung ist so erfolgreich, dass allein aus Großbritannien zwanzig Städte Interesse angemeldet haben, das wegweisende Beispiel zu kopieren. Die Londoner Zeitung "The Times" schickte einen Reporter nach Drachten. Bei der ersten Rundfahrt durch die Stadt schwitzte dieser am Steuer Blut und Wasser, doch nach zwei Tagen hatte er sich ans regellose Fahren gewöhnt. Die Stadt ist eine Weiterentwicklung der ebenfalls aus Holland stammenden "Wohnstraßen", in denen Blumenkübel oder Bäume und breite Bürgersteige dem Autofahrer die gerade Fahrt versperren. "Holländische Verkehrs- und Stadtplaner haben die Idee, dass man eine Kreuzung gefährlicher machen muss, damit sie sicherer wird", sagt Ben Hamilton-Baillie, der als Designberater beim Verband der britischen Tiefbauingenieure arbeitet. In Drachten darf nur noch mit 30 km/h gefahren werden. An Kreuzungen müssen Autofahrer, Radler und Fußgänger sich per Blickkontakt einigen, wer zuerst fahren darf. Bei Tempo 30 ist es leicht, sich so zu verständigen, bei Tempo 50 wäre dies nicht mehr möglich. Die Idee ist, dass ohne Schilder und Ampeln alle Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt sind. Hans Monderman von der friesländischen Organisation für Verkehrssicherheit: "Der größte Fehler von Verkehrsexperten ist, dass sie den Verkehrsteilnehmern das Gefühl von Sicherheit geben. Je mehr der Verkehr reguliert wird, desto weniger treten die Teilnehmer untereinander in Kontakt." Statistische Aufschlüsse über eine größere Verkehrssicherheit durch die Abschaffung von Regeln liegen nicht wirklich vor. In der friesischen Ortschaft Oosterwolde, wo vor zwei Jahren die Ampeln verschrottet wurden, hat sich seitdem aber kein Unfall mehr ereignet. Vorher waren es im Schnitt drei pro Jahr. Allerdings ist dieses Experiment nur für Kleinstädte eine Lösung.