100 Jahre wäre der französische Designer morgen geworden. Sein Name lebt noch heute.

Hamburg/Paris. Modeschöpfer, so weiß es die einschlägig interessierte Öffentlichkeit, sind sensible Wesen, elegant, schlank und manchmal sehr exzentrisch. Christian Dior war das alles nicht. Der Mann, der morgen 100 Jahre alt geworden wäre, war dennoch einer der besten, wenn nicht der größte seiner Zunft. Äußerlich eher unscheinbar, rundlich, mit erkennbarem Bäuchlein und hoher Stirn, legte der in Granville in der Normandie geborene Industriellensohn den Grundstein zu einem gigantischen Fashion- und Lifestyle-Imperium, machte Paris zum Nabel der Modewelt und war der erste, der seinen Namen als Lizenz für beispielsweise Parfüm und Strümpfe vermarktete. Für all das hatte Christian Dior, was er allerdings nicht wissen konnte, nur zehn Jahre Zeit.

Zunächst sollte Dior Diplomat werden, zog aber die Eröffnung einer Kunstgalerie vor. Dann begann er für die Zeitschrift "Figaro" Hüte zu zeichnen, arbeitete sich schließlich in verschiedenen Modehäusern hoch, fiel aber nicht besonders auf. Er war 42, als ihm mit einem Schlag die Modewelt zu Füßen lag. Nur zwei Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs war Europa weitgehend zerstört, aber die Menschen sehnten sich nach all dem Elend nach Schönheit und Luxus - vor allem in den USA, wo Dior 1947 mit seinem "New Look" aus dem Stand sensationelle Erfolge feierte. Die "Ligne Corolle", die Glockenblumenlinie, betonte die weiblichen Formen mit runden Schultern, schmalen Taillen, weit ausladenden Röcken - eine Befreiung nach der alles beherrschenden Uniformität im Krieg.

Nur konsequent, daß der Franzose schon gut zwei Jahre, nachdem er in Paris mit Hilfe von Freunden ein eigenes Modehaus eröffnet hatte, 1949 die "Christian Dior New York Inc." gründete und seine Modelle unter dem Namen dieser Firma sogar auf Prêt-à-porter-Modeschauen in der französischen Hauptstadt präsentierte. Der märchenhafte Triumphzug des Christian Dior war nicht mehr zu stoppen. Alle halbe Jahre gab es etwas Neues: Den Glockenblumen folgten Tulpen, Ligne longue, Schlangenlinie, die H-Y- und A- und schließlich 1956 die Pfeillinie.

Für Christian Dior waren diese ständigen Modeschauen ein ungeheurer Streß, da er panische Angst vor schlechter Kritik hatte. Die Modezeitschriften waren in seinen Augen "die strengste und wetterwendischste Jury der Welt, die sich versammelt, um mir den Prozeß zu machen", wie er in seiner Autobiographie schrieb.

Vielleicht war dieser Druck zu groß für den eher schüchternen Mann: Am 24. Oktober 1957 beendete der Tod Leben und Karriere des die Modewelt der 50er Jahre diktierenden Haute-Couture-Zaren. Christian Dior erlag im toskanischen Kurort Montecantini einem Herzanfall. Aber damit war die Geschichte des Hauses Dior nicht beendet. Schon 1953 hatte Christian Dior einen Assistenten angeheuert, der nun in seine Fußstapfen treten sollte. Er war 1957 erst 21 Jahre alt. Sein Name: Yves Saint Laurent. Nur drei Jahre war der gebürtige Algerier für die Entwürfe des Modehauses Dior verantwortlich, dann wurde er gefeuert. Sein "Beat-Look" von 1960 war einfach zu "avantgardistisch". Was für ein Fehler, denn im Laufe der Jahrzehnte wurde aus dem ehemaligen Assistenten des großen Christian Dior eine die Welt der Mode ebenso beherrschende Figur wie die seines Lehrherrn.

Gut, auf Yves Saint Laurent folgten mit Marc Bohan, 1989 dem Italiener Gianfranco Ferre und seit 1996 John Galliano auch nicht gerade No-Names, aber das Haus Dior mußte sich einreihen in eine größere Anzahl anderer Modehäuser, mußte nun in einem Orchester spielen und nicht mehr allein die erste Geige.