Mit einem Großeinsatz ging die Polizei gegen Berlins gewalttätige Rockerszene vor. Doch die waren gewarnt. 550 Polizisten und Spezialeinheiten filzten Rockerwohnungen in der Hauptstadt. Ermittlungen wegen Geheimnisverrats durch Berliner Beamte.

Berlin. Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) hat das Verbot eines Berliner Rockerclubs der Hells Angels als wichtigen Schlag gegen die Rockerkriminalität bezeichnet. Damit werde ein Signal ausgesandt, „dass wir Rechtsbrüche, aus welcher Richtung auch immer, nicht dulden werden“, sagte Henkel am Mittwoch. Das Verbot von Rockerclubs sei ein notwendiger, „aber gewiss nicht der letzte Schritt im Kampf gegen die Gefahren, die von diesen Gruppierungen ausgehen“.

Zugleich zeigte sich der Innensenator entsetzt darüber, dass der Einsatz im Vorfeld bekannt wurde. Er habe Polizeivizepräsidentin Margarete Koppers aufgefordert, die Umstände der Einsatzplanung und die Durchführung zu prüfen und Konsequenzen zu ziehen, sagte der Politiker. „Die Weitergabe von Informationen im Vorfeld von Einsätzen gefährdet den Einsatzerfolg und schlimmstenfalls auch das Leben der eingesetzten Polizeibeamten“, unterstrich Henkel. Die Polizei hat nach Angaben eines Sprechers Anzeige wegen Geheimnisverrats gegen Unbekannt gestellt.

550 Berliner Beamte hatten am Mittwochmorgen Wohnungen und Lokale der Hells Angels Berlin City durchsucht. Dabei wurden unter anderem mehrere Motorräder und Möbelstücke sichergestellt. Zuvor hatte Innensenator Henkel den Rockerclub verboten. Die Verbotsverfügung sei einigen Mitgliedern bei einer Durchsuchung ihres Clubheims im Bezirk Reinickendorf ausgehändigt worden, sagte der Sprecher. Das Vereinsverbot sollte ursprünglich am Mittwoch ausgesprochen werden, wurde aber laut Polizei wegen Presseveröffentlichungen am Dienstag vorgezogen. Unter anderen hatte „Spiegel Online“ berichtet, dass die Polizei plane, am Mittwochmorgen Vereinsheime, Kneipen und Privatwohnungen von Rockerclubs zu durchsuchen.

Später wurde bekannt, dass sich auch bei den Hells Angels führende Gruppen auflösen wollten oder bereits aufgelöst haben. In der Vergangenheit waren Rocker-Gruppen immer wieder übergewechselt, in der Folge kam es zu weiteren gewalttätigen Auseinandersetzungen.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) fordert eine schnelle Aufklärung, ob nicht ein Maulwurf in den Reihen der Polizei tätig gewesen ist. Ein solcher müsste „mit aller Härte des Gesetzes bestraft werden“, sagte GdP-Landesgeschäftsführer Klaus Eisenreich am Mittwoch. Die Polizei vermutet, dass aus ihren eigenen Reihen Informationen über ein drohendes Verbot des Rockerclubs gezielt an Medienvertreter weitergegeben wurden. Eisenreich bezeichnete den Vorfall als „sehr verwunderlich“. So etwas „kenne ich nur aus Krimalromanen“, sagte er. Damit würden nicht zuletzt Beamte im Einsatz gegen organisierte Kriminalität gefährdet.

In den vergangenen Tagen hatte es in Norddeutschland großangelegte Aktionen gegen Rocker gegeben. Rund 1200 Beamte durchsuchten in Kiel, Hannover und Hamburg Bordelle, Kneipen und Wohnungen. Bei Bottrop in Nordrhein-Westfalen war am Dienstag ein Mitglied der mit den Hells Angels konkurrierenden Bandidos erschossen worden.

Der Rockerkonflikt in Deutschland im Jahr 2012

22./23. Januar: Bei einer Massenschlägerei zwischen Mitgliedern der beiden Rockerclubs in Mönchengladbach wird ein Mann lebensgefährlich verletzt. Es gibt mehrere Festnahmen. In Oberhausen wird auf das Haus eines Bandidos-Mitglieds geschossen.

31. Januar: Das Innenministerium in Schleswig-Holstein verbietet die Hells Angels in Kiel. Es gibt Durchsuchungen.

23. Februar: Sieben Bandidos-Rocker werden vor dem Landgericht in Aachen wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung angeklagt.

14. März: Die Polizei in Nordrhein-Westfalen nimmt bei einer Razzia fünf Rocker fest. Clubräume und -gelände werden durchsucht.

15. März: Die Polizei in Düsseldorf hebt bei einer Großrazzia eine Plantage mit etwa 3000 Cannabis-Pflanzen aus, die dem Rockerclub „Clan 81“ gehört, der die Hells Angels unterstützt.

28. März: Bei einer Razzia bei den Bandidos in Berlin nimmt die Polizei drei per Haftbefehl gesuchte Rocker fest.

20. April: Im Ruhrgebiet durchsuchen Spezialkräfte der Polizei Clubhäuser der Bandidos.

25. April: Hells-Angels-Westen dürfen nach einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts bei Gerichtsverhandlungen verboten werden.

26. April: Nordrhein-Westfalen verbietet das Bandidos-Chapter Aachen und fünf seiner Unterstützerclubs.

3. Mai: Nordrhein-Westfalen verbietet den Hells-Angels-Club in Köln sowie einen Unterstützerclub.

24. Mai: Rund 1200 Beamte durchsuchen Stützpunkte der Hells Angels im Raum Kiel und in Norddeutschland. Die Spezialeinheit GSG9 stürmt das Haus von Hannovers Hells-Angels-Boss Frank Hanebuth. Es gibt mehrere Festnahmen.

25. Mai: Die Polizei beginnt bei Kiel mit der Suche nach dem 47 Jahre alten Tekin Bicer, der nach einem Streit von den Hells Angels ermordet und in einer Lagerhalle einbetoniert worden sein könnte.

29. Mai: Ein Bandidos-Mitglied wird in Bottrop von einem Unbekannten erschossen. In Berlin wechseln mehrere Untergruppen des Rockerclubs zu den verfeindeten Hells Angels über.

30. Mai: Die Berliner Senatsinnenverwaltung verbietet die Hells Angels Berlin City. Mehrere Untergruppen der Rocker haben sich zu diesem Zeitpunkt offenbar bereits aufgelöst.

Mit Material von dpa und dapd