Ein deutsches Mädchen wird jahrelang von seinem Stiefvater in Bosnien gequält. Als es im Wald gefunden wird, ist es dem Hungertod nahe. Der Körper ist übersät von Narben, Brüchen und Verletzungen. Die Behörden hatten Hinweise offenbar lange ignoriert.

Tuzla/Belgrad. Die Nachbarn wussten es, die Familie wusste es - und doch schauten acht Jahre lang alle Menschen zu. Ein deutsches Mädchen ist in Bosnien jahrelang als Sklavin gehalten worden. Von ihrer eigenen Stieffamilie. Vor zehn Tagen sei Karla in einem Wald nahe des bosnischen Dorfes Gojcin nahe der Stadt Kalesija im Nordosten des Landes gefunden worden. Sie sei auf 40 Kilo abgemagert und weise zahlreiche Verletzungen am ganzen Körper auf, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft in Tuzla.

Die heute 19 Jahre alte Deutsche wurde von ihrem Stiefvater und dessen Familie gequält und misshandelt. Die junge Frau mit dem wahrscheinlichen Vornamen Karla sei vor acht Jahren von ihrer eigenen Mutter ihrem heute 52-jährigen Stiefvater in der Gemeinde Gojcin bei Kalesija überlassen worden, der Karla gemeinsam mit Verwandten grausam gequält habe, sagte Staatsanwältin Gordana Tadic. Der Stiefvater habe Karlas deutsche Mutter geheiratet, obwohl er bereits mit einer Bosnierin verheiratet war. Die Behörden haben das Peinigerpaar verhaftet und das geschundene Mädchen in ein Frauenhaus in Tuzla gebracht.

Nach Darstellung von Nachbarn musste das Mädchen im Viehstall schlafen und Schweinefutter essen, um nicht zu verhungern. Täglich habe es Prügel gegeben. Karla sei auch mit einem Messer im Gesicht verletzt worden. Sie sei wie eine Sklavin behandelt worden, hieß es bei der Staatsanwaltschaft. Ihre Mutter habe von den Misshandlungen gewusst, aber aus Angst geschwiegen. Die Frau sei in Gojcin gewesen, als Karla befreit wurde. Ihr sei bis zur Klärung des Falls ihr deutscher Reisepass abgenommen worden.

Mehrere Nachbarn gaben an, das Mädchen sei von zahlreichen Verwandten immer wieder sexuell missbraucht worden. Demgegenüber sagte die Staatsanwaltschaft, das sei bisher nicht nachgewiesen. Die Medien in Bosnien zeigten sich geschockt und fassungslos über die „Horrorgeschichte“, die erst von einem Nachbarn beendet wurde. Obwohl dieser die Polizei wiederholt auf das Leiden von Karla hingewiesen hatte, glaubten die Beamten ihm die Existenz des Mädchens erst, als er schließlich ein Foto vorlegte.

Mit Material von dpa