Drogenbericht: Krankhafter Gebrauch von Internet und Automaten wächst, dafür weniger Tabak- und Alkoholkonsum

Berlin. In Deutschland sterben immer weniger Menschen an Drogensucht. Dafür wächst die Zahl vor allem Jugendlicher, die krankhaft am heimischen Computer oder an öffentlichen Geldspielautomaten hängen. Dies geht aus dem neuen Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung hervor, den die Drogenbeauftragte Mechthild Dyckmans gestern in Berlin vorstellte.

Aus ihrer Sicht ist die Entwicklung insgesamt positiv: Zwar haben nach wie vor Millionen Bundesbürger Probleme mit ihrer Sucht. Doch Jugendliche greifen immer seltener zu Flasche, Glimmstängel oder Joint. "In vielen Bereichen zeigen die Maßnahmen zur Verringerung des Drogen- und Suchtmittelkonsums Wirkung, besonders bei Kindern und Jugendlichen", sagte Dyckmans.

Besorgt zeigte sie sich über den "exzessiven oder pathologischen Computerspiel- und Internetgebrauch bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen". Dyckmans sagte, die Bundesregierung peile noch vor der Sommerpause eine Verordnung an, um in Gaststätten die Zahl der Glücksspielautomaten - derzeit sind das maximal drei - zu reduzieren. Zu diesen Geräten haben auch Jugendliche unter 18 Jahren meist unkontrollierten Zugang - entgegen den gesetzlichen Bestimmungen. Vor allem in der Altersgruppe zwischen 16 und 20 Jahren habe das mit erhöhtem Suchtrisiko verbundene gewerbliche Glücksspiel stark zugenommen. Von den 14- bis 24-Jährigen gelten etwa 250 000 als internetabhängig, 1,4 Millionen als problematische Internetnutzer.

Beim Tabakkonsum von Jugendlichen berichtete Dyckmans von einem neuen Tiefstand: Nur noch zwölf Prozent in der Gruppe der 12- bis 17-Jährigen griffen mindestens einmal pro Woche zur Zigarette. Generell habe sich der rückläufige Trend beim Alkoholkonsum junger Leute 2011 fortgesetzt.

Die Quote derer, die in jungen Jahren noch nie eine Zigarette geraucht haben, stieg auf 70,8 Prozent. 2001 lag die Quote erst bei 40,5 Prozent. Insgesamt gibt es 14,7 Millionen Raucher über 15 Jahren in Deutschland. An den direkten Folgen des Rauchens sterben jährlich etwa 110 000 Menschen.

Das gefährliche Komatrinken bleibt bei älteren Jugendlichen und jungen Erwachsenen stark verbreitet. "Die alkoholbedingten Krankenhauseinweisungen sind weiter leicht gestiegen", bedauerte Dyckmans. Laut Bericht trinken etwa 9,5 Millionen Bundesbürger Alkohol in gesundheitlich riskanter Menge. Etwa 1,3 Millionen gelten als alkoholabhängig, jedes Jahr sterben rund 73 000 an den Folgen.

Die Zahl der Todesfälle durch illegale Drogen sank dem Bericht zufolge auf 986. Das waren 20 Prozent weniger als im Jahr 2010 und der niedrigste Stand seit 1988. 279 Fälle wurden auf eine Überdosis Heroin zurückgeführt, weitere 290 auf ein Gemisch aus Heroin und anderen Rauschgiften. Rund 30 000 Heroinsüchtige in Deutschland werden mit der Ersatzdroge Methadon behandelt.

Der Suchtärzte-Verband DSÄ kritisierte gestern die Vergabe solcher Substitutionsmittel. Dieser Weg münde "vielerorts in ein System staatlich subventionierten Drogenkonsums mit laxen Kontrollen", sagte DSÄ-Generalsekretär Ingo Rempel dem Hamburger Abendblatt. Vor allem Hamburg nimmt Rempel ins Visier: Betäubungsmittelrezepte würden bedenkenlos ausgehändigt, Substitutionsmedikamente abgezweigt und auf dem Schwarzmarkt gehandelt. Genaue Zahlen nennt Rempel jedoch nicht. Er führt auch den Tod der elfjährigen Chantal in Hamburg als Argument gegen Methadon als sogenanntes Substitutionsmittel an. Sie starb Anfang des Jahres an einer Methadonvergiftung bei Pflegeeltern.

Hamburgs Gesundheitsbehörde verwies darauf, dass die Substitutionstherapie nach den gesetzlichen und suchtmedizinischen Vorgaben durchgeführt werde. Ziel sei es, Drogentodesfälle zu verhüten, Betroffene aus dem Drogenmilieu herauszulösen, Beschaffungskriminalität einzudämmen.

Auch der Hamburger Drogenexperte Klaus Behrendt hob den Erfolg der Therapien mit Methadon hervor. Dadurch sei es gelungen, etwa 80 bis 90 Prozent der Suchtkranken zu erreichen. "Dank der Ambulanzen und Therapien mit Methadon können Patienten auch mit ihrer Abhängigkeit wieder einen Arbeitsplatz finden", sagte Behrendt dem Abendblatt. Es sei wichtig, den Schwarzmarkt mit Medikamenten zu bekämpfen. Dies sei aber kein Problem ausschließlich von Methadon. "Den Tod von Chantal zu missbrauchen, um eine erfolgreiche Therapiemethode infrage zu stellen, ist furchtbar."

Heroinabhängige bekommen in Hamburg und anderen Bundesländern nach Absprache mit einem Arzt ein Rezept für das Mittel, das sie in einer Apotheke - unter Aufsicht - einlösen können. Gilt ein Patient durch ein ärztliches Gutachten als stabil, kann er die Medikamente auch mit zu sich nach Hause nehmen.