Thomas Gottschalk rechnet mit dem TV-Vorabend ab. Der Moderator über das Aus seiner Sendung und seine Zukunft

Berlin. "Jetzt hab ich die Fresse voll bekommen." So kommentierte Entertainer Thomas Gottschalk, der heute 62 Jahre alt wird, die Kritik und das geringe Zuschauerinteresse an seinem ARD-Vorabendtalk "Gottschalk Live". Die Sendung wird am 7. Juni nach nur vier Monaten eingestellt.

In der Mensa der Berliner Humboldt-Universität plauderte Gottschalk am Mittwoch mit "Zeit"-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo, 53, beim "Zeit Campus Talk" über seine Arbeit und sein Leben. 200 Zuhörer erfuhren so einiges, was sie von dem Fernsehstar noch nicht gewusst hatten und fühlten sich gut unterhalten. Selbstkritisch bemerkte Gottschalk, dass er nun mal kein Interview-Experte sei: "Das wär ja tragisch: Markus Lanz wird Gottschalk, und Gottschalk wird Markus Lanz." Aber er habe sich nicht dafür geniert, was er abgeliefert habe, schließlich liefen sonst am Vorabend haufenweise Krimis. "Diese Vorabendkrimis - Frauen im besten Alter in Jeans graben überall Tote aus. Halb Deutschland muss ja schon ermordet worden sein."

Auch wenn große Teile des Publikums nicht die Bereitschaft gezeigt hätten, ihm in den Vorabend zu folgen, "habe ich mit einer Million Zuschauer pro Sendung immer noch mehr Zuschauer gehabt, als der ,Focus' in der Woche an Exemplaren verkauft". Die Gründe für das geringe Interesse setzte er in Bezug auf seinen Erfolg mit "Wetten, dass ..?": "Ich war der beliebteste Italiener am Ort, plötzlich hab ich in einer Nebenstraße einen Sushi-Laden aufgemacht. Da war keine Bereitschaft der Leute, mir zu folgen."

Nun werde er sich aber trotzdem nicht beleidigt in die USA zurückziehen - er fühle sich auch in Berlin noch wohl und werde in Ruhe überlegen, wie er sein Leben künftig organisiere, auch wenn es "reizvoll gewesen wäre, sich in aller Legendenhaftigkeit ins Abendrot zu verabschieden". Der Publikumsliebling kann sich auch durchaus vorstellen, "gar nüscht zu machen. Dann moderiere ich meine Frau eben zu." Er würde aber auch mit einer neuen Sendung bei den Öffentlich-Rechtlichen bleiben. Eine Show wie "Bios Bahnhof", die Alfred Biolek von 1978 bis 1985 in einem stillgelegten Kölner Straßenbahndepot präsentierte, würde dem Moderator "wahnsinnig Spaß machen".

Ein politischer Mensch sei er "eigentlich weniger. Ich habe eine fast krankhafte Lust, mich mit Menschen auseinanderzusetzen." Er sei aber nie ein ernst zu nehmender Journalist gewesen, "das war nie mein Ehrgeiz; mir fehlt die journalistische Neugier, die Fähigkeit, in andere Menschen reinkriechen zu können, und die Chuzpe". Allerdings bewundere er "Menschen, die Wissbegier haben oder heucheln, ich hab sie nicht". Ein Student wollte wissen, warum er so häufig Fragen stelle und die Antwort gleich mitliefere. "Das ist in der Tat eine Unart von mir", gab der Moderator zu.

Ob er sich eine politische Einstellung leisten könne, lautete eine weitere Frage. Gottschalk bekannte: "Ich bin reflexhaft ängstlich, dass ich - wenn ich mich für die eine Seite engagiere - die andere verliere." Er denke heute so und morgen so. Di Lorenzo provozierte ihn: "Am ehesten kann man dich als FDP-nah verorten." Gottschalk, der von den Wahlerfolgen der Piraten fasziniert ist, kann zumindest nachempfinden, wie es ist, die Fünfprozenthürde nicht zu erreichen. Er habe konservative, aber auch soziale Züge. In den USA habe er für den Wahlkampf des Präsidenten Barack Obama "spontan 100 Dollar gespendet". Seither bekomme er jeden Tag eine Mail: "Thomas we need you now." Im Wahlkampf der Demokraten und Republikaner gehe es gar nicht um politische Zusammenhänge, meinte Gottschalk, sondern nur um Reflexe. Das entspricht nach seiner Ansicht der naiven Einstellung der Menschen dort. "Die kindliche Dankbarkeit, die den Entertainer freut, muss den Politiker ratlos machen", sagte Gottschalk.

Auf die Frage, was er von der Art halte, in der seine TV-Kollegen Stefan Raab, 45, und Oliver Pocher, 34, auf Menschen zugehen, antwortete Gottschalk, er halte beide für begabte junge Leute, weil sie angstfrei seien. "Den beiden kann ich zugucken, ohne feuchte Hände zu kriegen."

Gastgeber Giovanni di Lorenzo wunderte sich über einige vorab eingereichten Fragen von Studenten: "Das Publikum geht mit dir viel höflicher um als mit Harald Schmidt. Die fragen dich nicht ,Was machst du mit dem vielen Geld?'" Doch Gottschalk antwortete trotzdem: "Das geht in die Klamotten." Über seine ungewöhnliche Kleiderwahl sagte er: "Ich habe nie in meinem Leben eine Klamotte geschenkt bekommen." Aber oft hätten Designer ihm Outfits offeriert. Gottschalk äffte sie naserümpfend nach: "Das passt zu Ihnen, das ist verrückt."