Die Geburt und ihr Überleben stufte die Fachgesellschaft für Neugeborenen-Medizin (Lübeck) als „Sensation“ ein. 18 Monate später macht die Kleine einen fidelen Eindruck.

Fulda. Bei ihrer Geburt wiegt die kleine Frieda nicht mal so viel wie zwei Päckchen Butter. 460 Gramm leicht kommt sie als Europas jüngstes Frühchen nach nur 21 Wochen und fünf Tagen zur Welt. 18 Monate später macht die Kleine einen fidelen Eindruck.

Die Geburt und ihr Überleben stufte die Fachgesellschaft für Neugeborenen-Medizin (Lübeck) als „Sensation“ ein. Schließlich war sie nur 21 Wochen und fünf Tage alt, als sie am 7. November 2010 im Klinikum Fulda zur Welt kam. Normalerweise dauert eine Schwangerschaft 40 Wochen. Wochenlang kämpften Ärzte um das Überleben des außergewöhnlich jungen Frühchens. Fachleuten war bis dahin keine Frühgeburt bekannt, die jünger zur Welt kam und überlebte. Ärzte sprachen von Europas jüngstem Frühchen.

Nun, 18 Monaten später, sind die größten Sorgen um Frieda gewichen. Eine Tür auf der Kinderstation des Klinikums öffnet sich und die Kleine läuft an der Hand der Mutter in den Raum. Das Mädchen wirkt aufgeweckt und beschäftigt sich angeregt mit Holzspielzeug. „Frieda geht es gut. Sie lacht viel und ist ein Sonnenschein“, sagt Mutter Yvonne. Frieda lerne schnell und sei ein tapferes Kind.

Nachdem sie 26 Zentimeter groß und 460 Gramm leicht zur Welt kam, hat Frieda zwar schon viel aufgeholt, hinkt in der Entwicklung zu Normal-Geborenen aber immer noch hinterher. Sie misst 72 Zentimeter und wiegt 6,3 Kilogramm. „Sie hat Essprobleme, ist etwas wählerisch“, erklärt Yvonne.

Reinald Repp, der Chef der Kinderklinik des Krankenhauses, ist mit Friedas Entwicklung recht zufrieden: „Sie scheint geistig und motorisch ordentlich entwickelt und ist kerngesund. Auch ihre Augenprobleme haben wir in den Griff bekommen. Die Kleine scheint sehr pfiffig zu sein und Zusammenhänge schnell zu erkennen.“ Friedas Zwillingsbruder Kilian überlebte zwar die schwere Geburt, doch sechs Wochen später starb er an einer Leistungsschwäche des Herzens.

Die Chancen, dass Kinder den Frühstart überleben, stehen heute besser denn je in Deutschland. Doch die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass sie Schäden zurückbehalten. Laut einer Langzeitstudie zeigt ein Drittel Entwicklungsdefizite. 16 Prozent sind heute schwerbehindert. Je kleiner und jünger die Kinder sind, desto größer ist die Gefahr für eine dauerhafte und schwere Schädigung, erklärte die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG).

Für Familie M., die südlich von Fulda in Unterfranken lebt, ist trotz der schweren Zeit mit Frieda zwar nun Normalität eingekehrt. Doch Mutter Yvonne sagt: „Die Angst um Frieda ist immer noch groß. Man ist ständig in Hab-Acht-Stellung. Ich kriege irgendwie den Frühchen-Schalter nicht umgelegt.“ Das Hoffen und Bangen um Frieda hat die 34-Jährige noch nicht verdaut. „Fotos der ersten Wochen schaue ich ganz selten an. Es kratzt an meinem Ego, dass ich Frieda das alles nicht ersparen konnte, dass sie soviel durchmachen musste.“

Eine falsche gynäkologische Beratung wegen eines Polypen habe zu Komplikationen geführt, die in der 15. Schwangerschaftswoche ausbrachen. „Dass es Frieda dennoch gepackt hat, ist ein Verdienst des großartigen Teams im Klinikum Fulda“, sagt Yvonne. In der Tat werden dort hessenweit überdurchschnittliche Leistungen bei der Behandlung von Frühchen erzielt. Das besagen Statistiken.

Friedas Überleben ist aber auch dem medizinischen Wandel zu verdanken. „Noch vor fünf Jahren hätte ein Frühchen in dem Stadium keine Chance gehabt“, erklärt Repp. Es seien stetig Fortschritte zu verzeichnen, bei der Beatmung, Ernährung und den Medikamenten. So kommt das Klinikum Fulda mittlerweile auf Überlebenschancen von 60 bis 65 Prozent bei Neugeborenen, die weniger als 500 Gramm wiegen.

Was die Zukunft für Frieda bringen wird, ist ungewiss. Ob sie später womöglich hyperaktiv sein wird, eine verminderte Aufmerksamkeitsfähigkeit oder Essstörungen haben wird, wird sich erst in Jahren herausstellen. Die Risiken bestehen, rein statistisch.

Die Familie von Frieda will der Zukunft positiv entgegensehen. Mutter Yvonne will die drei Jahre Elternzeit ausschöpfen, um für Frieda da zu sein. „Und dann planen wir noch ein Geschwisterchen für Frieda“, verrät sie. Ein erhöhtes Risiko bei einer erneuten Schwangerschaft habe sie nach der Frühgeburt nicht, sagt sie.