Letzter Auftritt vor dem Urteil: Verteidiger sieht für Vergewaltigung keinen Beweis

Mannheim. Das Publikum erwartete scharfe Attacken, es wurde nicht enttäuscht. Zwar trug Johann Schwenn, der Verteidiger des angeklagten Wettermoderators Jörg Kachelmann, 52, sein Plädoyer in dem Vergewaltigungsprozess vor dem Mannheimer Landgericht bedächtig vor, fast unaufgeregt. Doch die kritischen Argumente, die der Hamburger Anwalt in der Hauptverhandlung bei jeder sich bietenden Gelegenheit platziert hatte, zählte er alle noch einmal auf in seiner anderthalbstündigen Rede. Am Ende seines Plädoyers stand dann wie erwartet die Forderung "Freispruch". Der Wettermoderator selbst, der vom Richter das letzte Wort angeboten bekam, verzichtete mit einem knappen "nein danke".

Nach dem Ende dieses Verhandlungstages, des 43. und letzten vor dem Urteil am nächsten Dienstag, gab sich Schwenn zuversichtlich: "In der Vergangenheit war ich skeptisch." Das habe sich verändert. "Wenn alles mit rechten Dingen zugeht, wird Herr Kachelmann freigesprochen." Der Anwalt forderte auch, sein Mandant solle für die viermonatige U-Haft sowie Durchsuchungen und Beschlagnahmen entschädigt werden. Die Staatsanwälte hatten vier Jahre und drei Monate Haft beantragt.

Schwenn betonte, dass nach einem Freispruch eigentlich die Nebenklägerin Claudia D. wegen Falschaussage verfolgt werden müsste. Das sei aber nicht zu erwarten, weil für solche Ermittlungen die Staatsanwaltschaft Mannheim zuständig wäre. Die Behörde habe sich aber darauf versteift, der Ex-Freundin von Kachelmann bedingungslos zu glauben. Mit dieser "Blindheit für die Beweislage" hätten Staatsanwalt Lars-Torben Oltrogge und Oberstaatsanwalt Oskar Gattner das Ansehen der Behörde preisgegeben. Schwenn forderte die Richter und die zwei Schöffen auf, sich dieser Position nicht anzuschließen und auch nicht mit moralischen Kategorien zu werten. Mit Blick auf die zahlreichen Ex-Geliebten von Kachelmann sagte Schwenn, die Kammer sei "nicht die Retterin enttäuschter Frauen. Keines der ,Lausemädchen' kann geglaubt haben, es sei die Einzige gewesen."

Am Morgen hatte sich zunächst Kachelmanns Pflichtverteidigerin Andrea Combé in ihrem Plädoyer alle Argumente der drei Staatsanwälte Punkt für Punkt vorgenommen und sie regelrecht seziert. Weder die Spuren auf dem Messer, mit dem Kachelmann seine Ex-Geliebte bedroht haben soll, noch die Verletzungen der Frau sind nach ihrer Ansicht geeignet, die Schuld Kachelmanns zu beweisen. "Es gibt keine Spuren an dem Messer, die die Version der Nebenklägerin bestätigen", sagte Combé.

Das Argument der Staatsanwaltschaft, diese seien zufällig oder bewusst abgewischt worden, widerspreche jeder wissenschaftlichen Erkenntnis, sagte die Anwältin. DNA-Spuren ließen sich nicht einfach wegwischen. "Das Messer ist als Tatwerkzeug eindeutig auszuschließen."

Die Verteidigung geht auch davon aus, dass sich die Ex-Geliebte die Hämatome an ihren Oberschenkeln selbst zugefügt haben könnte. Das Argument der Staatsanwaltschaft, es gebe eine natürliche Grenze, sich selbst Schmerzen zu bereiten, ist aus Sicht der Verteidigung nicht stichhaltig. "Wer dazu bereit ist, eine Belastung wie im vorliegenden Verfahren über sich ergehen zu lassen, ist mit Sicherheit auch dazu bereit, sich physisch erhebliche Schmerzen beizufügen", sagte Combé.

Auch brachte sie einige neue Überlegungen zur Entlastung von Kachelmann an, die sich auf Zeugenaussagen aus den nicht öffentlichen Verhandlungen stützten. So habe der Schweizer bisher selbst bei größtem Stress - als er nämlich erfuhr, dass seine Kinder gar nicht seine eigenen sind und er um sein Sorgerecht kämpfen musste - nie mit Gewalt reagiert. Es sei daher nicht plausibel, warum er ausgerechnet Claudia D. gegenüber die Kontrolle verloren haben sollte. Die Anwältin zeichnete ein wenig schmeichelhaftes Bild der Nebenklägerin. Sie sei manipulativ, kaltschnäuzig und gerissen.