Staatsanwalt plädiert aber nur auf vier Jahre und drei Monate Haft. Der Wettermoderator habe schon viel gelitten

Mannheim. Die Überraschung hatten sich die Mannheimer Staatsanwälte im Fall Jörg Kachelmann, 52, bis zum Schluss ihres Plädoyers aufgespart. Zwar hielten die Ankläger, wie erwartet, an ihrem Vorwurf der schweren Vergewaltigung und Körperverletzung fest und forderten eine Haftstrafe für den Wettermoderator. Doch mit dem Strafmaß von vier Jahren und drei Monaten blieben Lars-Torben Oltrogge und Oskar Gattner deutlich unter dem, was möglich wäre: nämlich fünf bis 15 Jahre.

Das begründeten sie mit einem Argument, das angesichts der Schärfe ihrer Verhandlungsführung niemand erwartet hätte: Kachelmann sei durch die Medien "belästigt und diffamiert" worden, sein Privatleben habe schwer gelitten und natürlich auch sein beruflicher Erfolg. Mit anderen Worten: Er sei schon genug gestraft. Dennoch: Sollte sich die Kammer in ihrem Urteil, das für den 31. Mai geplant ist, an der Forderung orientieren und Kachelmann für mehr als zwei Jahre ins Gefängnis schicken, wäre eine Bewährung unmöglich.

Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft ihren Vortrag wegen Einwänden der Verteidigung mehrfach unterbrechen müssen. Erst am Nachmittag konnte Oberstaatsanwalt Gattner resümieren: Es gebe keinen Zweifel daran, dass die Tat so geschehen sei wie von dem mutmaßlichen Opfer angezeigt.

Claudia D. bezichtigt ihren Ex-Freund, sie im Februar 2010 vergewaltigt und ihr dabei ein Messer an den Hals gehalten zu haben. Die 38-Jährige saß gestern während des Plädoyers die meiste Zeit regungslos neben ihrem Anwalt Thomas Franz. Die Radiomoderatorin und Nebenklägerin hatte sich an diesem 41. Verhandlungstag zum ersten Mal seit ihrer eigenen Aussage im Oktober wieder im Gerichtssaal sehen lassen. Als allerdings einige Passagen aus ihrem Tagebuch vorgelesen wurden, in dem sie über die angebliche Tat und deren Folgen sinnierte, verlor die Frau die Contenance. Sie fühle sich leer und tot, zitierte Gattner, Selbstmordgedanken flatterten wie Schmetterlinge vorbei. Da hielt sich Claudia D. die Hand vor die Augen und wischte Tränen weg.

Kachelmanns Hamburger Anwalt wollte den Staatsanwalt stoppen

Zuvor war es, wie so oft in diesem Prozess, zu einem Disput zwischen Staatsanwalt Oltrogge und Kachelmanns Verteidiger Johann Schwenn gekommen. Oltrogge hatte mit seinen Ausführungen kaum begonnen und seine hohe Stimme auf Betriebstemperatur gebracht, als Schwenn dazwischengrätschte. Die Staatsanwaltschaft wolle nur die letzte Gelegenheit auskosten, um seinen Mandanten bloßzustellen, monierte der Hamburger Strafverteidiger. Er beantragte sogar den Ausschluss der Öffentlichkeit. Erst nach langem Hin und Her einigte man sich, Oltrogge erst mal weiterreden zu lassen.

Der Ankläger musste allerdings versprechen, nicht ohne Vorwarnung Pikantes zu präsentieren. So blieb Oltrogge denn auch eher allgemein, als er etwa ausführte, Kachelmanns sexuelles Verhalten sei von dem Wunsch nach Dominanz und Unterwerfung geprägt gewesen. Es gehe dem Schweizer beim Sex offensichtlich häufig "um das Erreichen der Grenze des Einvernehmlichen", so Oltrogge. Das passe dazu, dass Kachelmann an jenem Abend tatsächlich völlig unvorhersehbar gewalttätig geworden sein könnte.

Oltrogge schloss aus, dass Claudia D. sich die Verletzungen an Hals und Oberschenkeln selbst beigebracht haben könnte, wie es einer der Gutachter gemutmaßt hatte. Auch Kachelmanns Spuren in der Wohnung - Sperma auf dem Bett, DNA am Messer - könne sie nie so platziert haben, dass es hinterher bei den Ermittlungen nicht zu Widersprüchen gekommen wäre, sagte Oltrogge. Selbst die Erinnerungslücken in ihrer Aussage wertete der Staatsanwalt als Indiz dafür, dass sie eigentlich die Wahrheit sage: Sollte sich Claudia D. das Ganze ausgedacht haben, wäre nicht nachvollziehbar, wieso sie dann für die großen Hämatome auf den Schenkeln keine Erklärung parat habe.

Nächste Woche ergreift der Verteidiger das Wort

Jörg Kachelmann hörte sich die Argumentation betont gelassen an. Nur selten schaute der Schweizer auf, beispielsweise als Oltrogge auf die Lügen des mutmaßlichen Opfers einging. Die 38-Jährige hatte einen Brief, der ihr angeblich anonym zugeschickt wurde, selbst geschrieben. Das stelle die generelle Glaubwürdigkeit der Frau aber nicht infrage, betonten die Staatsanwälte. "Man kann deshalb nicht behaupten, dass sie in keinem Punkt die Wahrheit sagt." Kachelmann dagegen habe versucht, bestimmte Spuren zu beseitigen und empfangene SMS zu löschen. Auch sei sein Verhalten nach der angeblichen Tat auffällig gewesen. Die Plädoyers der Verteidigung sind für nächste Woche geplant.