Razzia mit 1100 Beamten bei Bandidos in Berlin und Brandenburg. Der Bandenchef war früher selbst Polizist

Berlin/Potsdam. Die Polizei schlug um fünf Uhr morgens zu, und sie hatte das ganz große Besteck dabei: Elitekämpfer der GSG 9, Blendgranaten, Drogenspürhunde. Eine Woche nach dem Verbot der Rockerbande Hells Angels in Berlin knöpften sich die Sicherheitskräfte gestern deren Erzrivalen Bandidos vor.

Rund 1100 Beamte durchsuchten knapp 80 Objekte des Klubs in Berlin und Brandenburg. Dabei vollstreckten sie acht Haftbefehle und nahmen weitere fünf Personen fest. Hintergrund ist ein seit 2011 laufendes Ermittlungsverfahren der Berliner Staatsanwaltschaft wegen schwerer Bandenkriminalität und Drogenhandels.

Die Haftbefehle, vorrangig wegen gewerbs- und bandenmäßigen Rauschgifthandels, richteten sich gegen Mitglieder des Chapters Bandidos Del Este. 50 Objekte der Razzia - Wohnungen, Arbeitsstätten, Lokale - liegen in Brandenburg, unter anderem in Hennigsdorf (das Klubhaus), Velten, Potsdam, Oranienburg und Birkenwerder, 30 weitere wurden in Berlin durchsucht.

In dem Klubhaus wurden laut Polizei elf Personen angetroffen, unter ihnen Vereinspräsident Thorsten S., gegen die aber kein Haftbefehl bestanden habe. S. sei in Handschellen abgeführt worden, um seine Personalien zu überprüfen. Das sei bei als gefährlich geltenden Personen nicht ungewöhnlich, sagte ein Polizeisprecher. Verschiedenen Medienangaben zufolge war der Rockerchef früher selbst Polizist in Berlin und nutzt nach wie vor sein damals beruflich aufgebautes Netzwerk. Er ist wegen eines Raubüberfalls im Jahre 1997 vorbestraft.

Der Einsatz wurde nach Polizeiangaben vom Landeskriminalamt Berlin geführt. Daran waren Beamte aus Berlin, Brandenburg und anderen Bundesländern sowie die Spezialeinheit GSG 9 beteiligt. Um Beweismittel zu sichern, wurde das Klubhaus mit Rauschgiftspürhunden durchsucht.

Bei der Erstürmung des Gebäudes kamen nach Angaben von "Morgenpost Online" Blendgranaten zum Einsatz. Spezialeinheiten gelangten auch über Leitern in das Klubhaus. Bei Durchsuchungen auf dem Gelände erschoss die Polizei einen Hund.

Im Zuge der Razzia seien Fahrzeuge, scharfe Schusswaffen, Macheten sowie ein Schlagring und ein sogenannter Totschläger sichergestellt worden, sagte ein Polizeisprecher. Beschlagnahmt wurden zudem Haschisch, Marihuana und Kokain. Obendrein entdeckten die Ermittler ein Chemielabor, in dem vermutlich Drogen hergestellt wurden. Ein Verbot gegen das Chapter sei nicht ausgesprochen worden, sagte der Sprecher, obwohl die Rockergruppe schon seit einigen Jahren im Visier der Brandenburger Polizei ist. 2009 war sie neben anderen Rockerbanden Ziel einer Razzia. Vor einem Jahr verlegten die Bandidos del Este ihren Klubsitz von Hohen Neuendorf nach Hennigsdorf.

Nach Polizeiangaben wurde der Einsatz bereits seit mehr als einem Monat geplant. Es bestehe aber kein Zusammenhang mit Durchsuchungen und "dem Verbot eines anderen Rockerklubs". Beim Vorgehen der Polizei gegen die Berliner Hells Angels Ende Mai waren die Gruppen gewarnt worden. Sie lösten sich vor der Razzia selbst auf und brachten Vermögen vor dem Zugriff in Sicherheit. Auch in Potsdam wurde am Dienstagabend ein Vereinsheim der Hells Angels durchsucht.

Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) kündigte an: "Das wird nicht der letzte Schlag gewesen sein." Die Rockerszene werde weiter unter Druck gesetzt. In Potsdam sprach sich Innenminister Dietmar Woidke (SPD) für eine Null-Toleranz-Strategie gegen die Szene aus. "Das Signal ist klar: Wir dulden in Brandenburg keine organisierte Kriminalität."

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hält das konzertierte Vorgehen der Bundesländer für die richtige Strategie. "Es muss darum gehen, den Sumpf trockenzulegen", sagte Bernhard Witthaut, GdP-Bundesvorsitzender. Die Ermittler müssten den Rockern "permanent auf den Füßen stehen". Rockerklubs wie die Hells Angels und die Bandidos hätten sich zum Ziel gesetzt, "mit massiver Gewalt und eigener Rechtsprechung ein eigenes System zu leben und viel Geld zu verdienen", sagte Witthaut. In den vergangenen zwei Jahren seien entscheidende Fortschritte im Kampf gegen die Rockerkriminalität erzielt worden.