Heute vor 50 Jahren meldeten zwei Tüftler aus Schwaben ein Patent auf die erste “selbsttätige Auto-Waschanlage“ an. Der Beginn einer neuen Ära.

Der griffige Slogan des Deutschen Gewerkschaftsbundes lautete "Samstags gehört Vati mir". Er tauchte erstmals während der Maikundgebungen 1954 auf und brachte die Forderung nach der 40-Stunden-Woche auf den Punkt. Denn im deutschen Wirtschaftswunder musste Vati, wenn er Beamter, Angestellter oder Arbeiter war, an sechs Tagen in der Woche je acht Stunden arbeiten, was sicher der entscheidende Grund dafür war, dass Deutschland so erstaunlich rasch aus den Ruinen des Zweiten Weltkriegs auferstehen konnte und das Volk ein neues Lebensgefühl entwickelte, das Wohlstand hieß. Der im Vergleich zu heute allerdings bescheiden ausfiel. Aber zu diesem Wohlstand gehörte bereits das Auto.

Das Auto veränderte den Alltag mehr als jedes andere Konsumgut, mal abgesehen vom Fernseher. Mit dem Auto war nun jeder Ort in kürzester Zeit erreichbar. Es war der erste Schritt zum Häuschen im Grünen, und der Fahrer - am Steuer saß selbstverständlich Vati - fühlte sich als Gebieter über Zeit und Raum. Schlimmer noch: Kaum angeschafft, erhielt das Auto den Status eines Familienmitglieds, das mit inbrünstiger Liebe gefüttert (Kraftstoff, Öle, Wasser) und verhätschelt (gewaschen, abgeledert, poliert) wurde, zu der vermutlich nur Männer fähig sind.

Andreas Rohn, 59, erinnert sich gut daran, wie er seinem Vater dabei zusehen durfte, wie der im Vorgarten ihres Siedlungshäuschens in Meiendorf den brandneuen VW Käfer mit dem Brezelfenster erst sorgfältig einseifte, dann mit dem Gartenschlauch sorgfältig abspritzte und schließlich besonders sorgfältig ablederte. "Dieses Ritual fand jeden Sonntag statt", sagt der Immobilienmakler, "im Autoradio lief meist Fußball, genau alle vier Wochen wurden Lack und Stoßstangen konserviert und poliert. Das machten in unserer Siedlung alle Väter so, die ein Auto hatten." Als der kleine Andreas zum ersten Mal selbst den Schwamm in die Hand nahm, sei er wahrscheinlich zum Mann geworden. Glaubt er.

Die Konkurrenz ist groß: Waschstraßen, Portalanlagen, SB-Plätze

Heute sei das einfacher. "Ich fahre ungefähr alle 14 Tage in die Waschstraße rein, das Auto kommt sauber raus, dann muss ich es bloß noch aussaugen, die Plastikteile wischen und natürlich die Fenster von innen ..." Er ist Stammkunde bei "Mr. Wash" am Wandsbeker Friedrich-Ebert-Damm, einem der größeren Waschstraßenbetreiber mit 32 Standorten in Deutschland, der als Alleinstellungsmerkmal die "kratzerfreie Textilwäsche" offeriert. Die Konkurrenz ist groß: Zu den 1820 Waschstraßen hierzulande, die pro Jahr 16,5 Prozent aller Wäschen erledigen, kommen 15 200 Portalanlagen (37,1 Prozent) sowie etwa 19 500 SB-Waschplätze, die um potenzielle 42 927 647 zugelassene Pkw buhlen. Und die Angst vor Lackschäden oder Schäden wie abgerissenen Antennen, Zierleisten und Außenspiegeln ist - trotz technischer Fortschritte - berechtigt. Ines Brettschneider, 27, die als Berufspendlerin "praktisch in ihrem Auto lebt" und sich in ihrem Zweitwohnsitz wohlfühlen möchte, hat dieses Horrorerlebnis in der Waschanlage einer Tankstelle ertragen müssen: "Da haben die Felgenbürsten die Felgen nicht erkannt, zack waren die Außenspiegel weg." Sie hat ihren Golf-Kombi neben dem Mercedes von Andreas Rohn abgestellt und für die Innenreinigung komplett ausgeräumt. Ines Brettschneider kommt mindestens alle drei Wochen hierher. Sie schätzt, dass sie pro Monat 30 Euro für Autopflege investiert - und taucht ab, in die Weiten des Kofferraums.

+++ Die Evolution der Bürste +++

Auch Andreas Rohn bückt sich tief in den Innenraum seiner C-Klasse, blau-metallic, sauber wie geleckt, und tunkt den Rüssel des kostenlosen Staubsaugers in die Enge zwischen Rücksitzbank und Rücksitzlehne. Es knistert unüberhörbar im Kunststoffschlauch. "Wir renovieren gerade", ächzt er, "der Sand stammt von unserer Baustelle, das geht ja so gar nicht." Denn auffällig häufig würden ihn Erstkunden zu seinem Auto begleiten, das die Aufgabe einer Visitenkarte erfüllt. Der Makler ist überzeugt, dass sich mit einem gepflegten Auto bessere Abschlüsse erzielen lassen.

Hier schließt sich ein Kreis. Tatsächlich waren es der Matsch und der Schlamm der Baustellen des deutschen Wiederaufbaus, die die beiden Augsburger Architekten Johann Sulzberger und Gebhard Weigele Ende der 1950er-Jahre veranlassten, über eine Vereinfachung der Autopflege nachzudenken. Auch damals hieß es immer öfter: Zeit ist Geld. Wir dürfen heute annehmen, dass die beiden - im Gegensatz zu Millionen Geschlechtsgenossen - kein sinnliches Verhältnis zu ihren Autos entwickelt hatten, sondern eher die Nase voll vom Shampoonieren, Abledern und Polieren in schweißtreibender Handarbeit.

Und so meldeten Sulzberger und Weigele heute genau vor 50 Jahren, am 8. August 1962, ein Patent auf eine "selbsttätige Auto-Waschanlage" an und gründeten das Unternehmen Wesumat, das sich rasant zum weltweit führenden Waschanlagenhersteller entwickelte (heute Washtec). Es war eine geniale Weiterentwicklung einer ursprünglich amerikanischen Erfindung, die in Deutschland erstmals am 24. Januar 1950 in der Frankfurter Opel-Vertretung in Betrieb genommen wurde. Doch im Unterschied zur "ersten selbsttätigen AutoWaschanlage" der schwäbischen Tüftler rotierten keine drei Bürsten auf Schienen automatisch um die Karosserie herum, sondern die tonnenschwere Maschine musste von zwei Männern hin und her geschoben werden und übernahm lediglich das Einseifen und Abspülen per Hochdruckdüsen. Das Abledern war jeweils Handarbeit. 1963 brachte Wesumat die erste Drei-Bürsten-Anlage mit dem Programm "Waschen und Trocknen" auf den Markt. Bereits ein Jahr später öffnete die erste vollautomatische Waschstraße.

+++Salz schädigt den Autolack weniger als befürchtet+++

Allerdings dauerte es, bis Deutschlands Autofahrer Vertrauen zur automatischen Waschanlage fassten. "Die Technisierung wurde nicht von jedem gleich so gut aufgenommen", sagt Joachim Jäckel, Vorsitzender des Bundesverbands Tankstellen und Gewerbliche Autowäsche Deutschland (BTG) in Minden. "Die Menschen hielten die Handwäsche für eine gute Sache. Es gab auch noch kein Umweltbewusstsein - das Auto wurde im Hof gewaschen." Oder auf der Einfahrt, auf der Straße und sogar beim Ausflug an den See, wo Mutti die Picknickdecke bestückte, während Vati mit grüner Seife, Lackreiniger und "Autosol" das Statussymbol zum Glänzen brachte und sich nicht darum scherte, wenn die Chemie den Boden kontaminierte.

Soziologen haben drei Typen Autofahrer definiert: Zum einen gibt es die Saubermänner, die durchschnittlich einmal pro Woche in die Waschanlage fahren; dann die lässigen Pragmatiker, die ihrem Gefährt bloß ab und zu mal eine Reinigung gönnen; und den "Typ Ferkel", dem es entweder schnuppe ist, wie ein Auto aussieht, oder der es sogar enorm schick findet, wenn die Karosserie seines geländetauglichen SUV total verdreckt ist.

Schon eine Fahrt reicht aus, um ein Auto in eine Müllkippe zu verwandeln

Frauen, auch das haben Gesellschaftsforscher in Untersuchungen bestätigt, zählen vorwiegend zur Gruppe der Pragmatiker. Dies erscheint logisch, sind es doch meist die Mütter, die kekskrümelnde und saftverschüttende Kinder sowie haarende Familienhunde chauffieren. Da reicht schon eine Fahrt, um ein Auto in eine Müllkippe zu verwandeln.

Auch Stefanie Tippe, 36, hat sich mit ihrem 15 Jahre alten Golf aufs "Mr. Wash"-Gelände verirrt. Eigentlich sei es ihr egal, wie ihr Auto aussehe, meint die Flugbegleiterin, die noch am Vormittag in Rom gewesen ist: Sie würde sich selbst in die Gruppe der lässigen Pragmatiker einordnen, der besonders lässigen. "Allerdings kommt heute mein Freund", erzählt sie. "Er wohnt auf Mallorca, immer wenn er hier ist, kriegt er mein Auto. Aber so kann ich ihn unmöglich auf die Straße lassen!"

Mit "so" meint Stefanie Tippe den typischen Restmüll - Verpackungsreste, alte Parkscheine, Taschentücher. Den will sie jetzt rasch beseitigen, und auch der biologisch abbaubare Fensterreiniger kommt zum schweißtreibenden Einsatz.

Autopflege kann auch Liebe sein.