Eppan. Der deutsche Nationalspieler hat beim Absteiger 1. FC Köln verlängert – und wirkt im modernen Fußball wie ein Gegenentwurf.

    Vor wenigen Tagen hat Jonas Hector seinen 28. Geburtstag gefeiert. Die Kollegen haben ihm im Trainingslager in Eppan, wo sich Deutschlands beste Fußballer auf die WM vorbereiten, ein Ständchen gesungen. Hector im Rampenlicht. Ein Gefühl, das er nicht sonderlich schätzt. Seinen Vertrag beim Absteiger 1. FC Köln hat er bis 2023 verlängert. In seinem ersten Interview seit seiner Vertragsverlängerung erklärt der Linksverteidiger, warum er auf viel Geld verzichtet.

    Dürfen wir Ihnen nachträglich gratulieren?

    Jonas Hector: Wozu? Zum Geburtstag?

    Selbstverständlich. Aber auch dazu, dass Sie den Fans den Glauben an das Gute im modernen Fußball zurückgegeben haben.

    Hector: Die Entscheidung ist nicht gefallen, weil ich ein Statement gegen die Sitten im modernen Fußball setzen wollte. Ich habe aus Überzeugung so entschieden.

    Was waren Ihre Gründe?

    Hector: Meine Freundin, meine Freunde und meine Familie fühlen sich wohl in Köln, ich fühle mich extrem wohl im Verein und in der Stadt. Daran möchte ich derzeit nichts ändern.

    Im Fußball geht es – so scheint es – eigentlich immer nur noch um Geld und den eigenen Vorteil. Warum leisten Sie sich diese Art von Romantik?

    Hector: Das ist mein Naturell. Das war auf niedrigerer Ebene früher schon so. Ich habe lieber in meinem Heimatverein mit meinen Freunden zusammen gespielt als beim 1. FC Saarbrücken, dem nächstgelegenen großen Verein. Es hat mich nicht gereizt, es mit allen Konsequenzen durchzuziehen. Ich wollte lieber gut behütet mit meinen Freunden kicken.

    Wer böswillig ist, könnte Ihnen auch mangelnden Ehrgeiz vorwerfen.

    Hector: Das wäre falsch. Ich bin sehr ehrgeizig. Es geht immer um das Gesamtpaket. Das erscheint mir in Köln passender.

    Was denken Sie über Spieler, die sich aus ihren Verträgen streiken oder mehr als 200 Millionen Euro Ablösesumme kosten?

    Hector: Jeder hat andere Ansprüche und Ziele. Aber klar: Spieler, die streiken, stellen sich in ein schlechtes Licht, und das wird von der Öffentlichkeit und der Gesellschaft auch entsprechend wahrgenommen. Und die Summen sind extraordinär geworden. Vor 40 Jahren hätte man es für einen Scherz gehalten, dass Spieler einmal so teuer sein könnten. Das Geschäft hat sich verändert. Damit muss man sich arrangieren.

    Maximal profitieren wollten Sie von diesem System jetzt offenbar nicht.

    Hector: Es steht außer Frage, dass ich bei anderen Vereinen mehr hätte verdienen können. Aber mein Ziel ist nicht, am Ende meiner Karriere 400 Millionen Euro auf der Bank liegen zu haben. Gefühl ist wichtiger als Geld. Für mich ist die wichtigste Frage: Bin ich glücklich in der Situation, in der ich bin, oder nicht? Und wenn ich zu der Antwort komme: Ja, ich bin glücklich, warum sollte ich daran etwas ändern?

    Beim Champions-League-Starter Dortmund war man offenbar zuversichtlich, Sie zu einem Wechsel bewegen zu können.

    Hector: Was man so hört, ja. (lacht)

    Klären Sie uns auf.

    Hector: Ich kann das nicht aufklären. Ich habe mich auf die Aufgabe mit dem FC konzentriert und alles Weitere erst einmal von mir weggeschoben. Als dann für mich klar war, dass ich in Köln bleiben will, habe ich mich mit allem anderen nicht mehr beschäftigt.

    Träumen Sie davon, in der Champions League zu spielen?

    Hector: Aktuell brauche ich das nicht unbedingt, sonst würde ich diesen Weg nicht gehen. Aber es kann natürlich sein, dass sich das nach ein oder zwei Jahren noch einmal ändert. Wenn die Möglichkeit dann noch bestünde, würde ich die wohl auch wahrnehmen. Aber das ist Zukunftsmusik.

    Joachim Löw betont stets, wie wichtig es ist, sich auch im Club regelmäßig mit den Besten zu messen. Haben Sie die Sorge, dass Ihr Zweitliga-Dasein Ihre Karriere in der Nationalmannschaft gefährdet?

    Hector: Natürlich hatte ich das im Hinterkopf. Aber es geht um mich.

    Haben Sie Ihre Entscheidung vorher mit dem Bundestrainer abgestimmt?

    Hector: Nein, gar nicht.

    War Ihr neuer Vertrag hier in Eppan bei der Nationalmannschaft ein Thema?

    Hector: Natürlich habe ich hier darüber gesprochen, nicht mit dem Bundestrainer, aber mit Mitspielern und Mitarbeitern, die auch wissen wollten, warum ich das gemacht habe. Denen habe ich das Gleiche erzählt wie Ihnen. (lacht)

    Wie fielen die Reaktionen aus?

    Hector: Eher anerkennend. Manche haben mir Respekt ausgesprochen.

    2016 bei der EM haben Sie Ihr erstes großes Turnier erlebt – und avancierten gleich zum Fußballhelden, als Sie im Viertelfinale gegen Italien als 18. Schütze den entscheidenden Elfmeter verwandelten. Denken Sie daran gern zurück?

    Hector: Ich bin seitdem immer wieder darauf angesprochen worden. Aber es ist nicht so, dass ich abends im Bett liege und daran denken muss.

    Damals waren Sie ein Neuling, in der Zwischenzeit haben Sie so viele Spiele für die Nationalmannschaft gemacht wie kaum ein anderer. Hat sich Ihre Rolle verändert?

    Hector: Zu Beginn habe ich mir immer einen Kopf gemacht: Darf man das? Passt denen das? Ist das richtig? Da entwickelt man über die Jahre ein anderes Selbstverständnis. Und auf dem Platz habe ich das Gefühl, dass das Vertrauen der Mitspieler in mich größer geworden ist. Ich bin ein fester Teil der Mannschaft.

    Sie meiden gern das Rampenlicht, inszenieren sich nicht in den sozialen Medien, Sie fanden erst spät zum Profifußball, nun schlagen Sie einen Teil des Geldes, das er Ihnen bringen könnte, aus. Woher kommt eigentlich der Hang zur Andersartigkeit?

    Hector: Man fragt sich auch selbst mal, warum man nicht diesen oder jenen Weg gegangen ist. Wäre meine Karriere anders verlaufen, wenn ich früh in ein Nachwuchsleistungszentrum gegangen wäre? Aber ich habe meine Kindheit und Jugend bei meinen Freunden verbracht, habe es geschafft, Profi zu werden und in der Nationalelf zu spielen. Viel besser hätte es nicht laufen können.

    Wenn Sie irgendwann auf Ihre Karriere zurückblicken: Wann wäre sie gelungen?

    Hector: Da ich mit 20 Jahren erst zu einem großen Verein gegangen bin, ist es für mich ehrlicherweise jetzt schon eine gelungene Karriere. Das bedeutet nicht, dass ich mich jetzt zurücklehne. Sondern ich arbeite weiter an mir – und dann schauen wir mal, wohin es noch geht.