Buchholz. Charlotte Densch von Blau-Weiss Buchholz muss auch auf Deutsche Meisterschaften verzichten, blickt dennoch optimistisch nach vorn.

Die vergangene Woche war nicht die Woche von Charlotte Densch. Zu viele schlechte Nachrichten auf einmal. Ziele und Träume, die sich von einem auf den anderen Tag in Luft auflösten. Dabei hatte die 18 Jahre junge Frau aus Buchholz in den vergangenen Monaten einen enormen Aufwand betrieben, um im Kreis der weltbesten Aerobicturnerinnen eine gute Figur abzugeben. Fünf bis sechs Trainingseinheiten pro Woche absolviert die Schülerin des Gymnasiums Am Kattenberge üblicherweise, jeweils drei bis vier Stunden. Je nach Trainingsphase summiert sich der Aufwand auf 20 bis 30 Stunden pro Woche, und das neben dem normalen Aufwand einer Schülerin in der zwölften Jahrgangsstufe.

Zehenbruch kann die Bundeskaderathletin nicht stoppen

„Wir nennen das Leistungssport. Für die Bezeichnung Hochleistungssport müsste es mein Beruf sein“, sagt Charlotte Densch. Und von ihrem Sport kann die Bundeskaderathletin natürlich nicht leben. In der Vorbereitung auf das große Saisonziel 2021, die Weltmeisterschaften der Aerobicturnerinnen in Baku in Aserbaidschan, ließ sich die Sportlerin von Blau-Weiss Buchholz von Verletzungen nicht stoppen. Zu Jahresbeginn brach sie sich einen Zeh. „Das ist in einer Sportart, in der man ständig hüpft und springt und auf dem Fuß landet, besonders bitter“, so Densch. Sechs Wochen konnte sie nur an den athletischen Grundlagen arbeiten, bis zu 30 Stunden in der Woche. In der Folgezeit plagte sie sich mit einer Schulterverletzung herum, die bis heute nicht ausgeheilt ist, und verletzte sich an einem anderen Zeh. „Ich konnte einfach nicht aufhören“, sagt sie rückblickend.

Sieg bei der nationalen WM-Ausscheidung

Ihr Kampfgeist sollte sich auszahlen, denn Charlotte Densch gewann die nationale Qualifikation für die Weltmeisterschaften. Wie in diesen Zeiten üblich, wurde der Wettkampf online ausgetragen. Die Turnerinnen mussten ein Video beim Technischen Komitee einreichen, das in einem Zoom-Meeting live von Kampfrichterinnen bewertet wurde. Gleichzeitig wurde das Zoom-Meeting für die Sportlerinnen und Trainerinnen per Livestream auf YouTube übertragen. Im Anschluss verkündete das Technische Komitee offiziell die WM-Nominierung von Charlotte Densch (Blau-Weiss Buchholz) und Nadja Mack (SSV Ulm) in der Kategorie „Individual Women“. Das ist die offene Frauenklasse.

Charlotte Densch (Blau-Weiss Buchholz) gewann die nationale Qualifikation für die Weltmeisterschaften 2021 in Baku/Aserbaidschan.
Charlotte Densch (Blau-Weiss Buchholz) gewann die nationale Qualifikation für die Weltmeisterschaften 2021 in Baku/Aserbaidschan. © aerogym | Rainer Fleck

Schon zu diesem Zeitpunkt gab es jedoch Zweifel, ob der Deutsche Turnerbund Athletinnen und Athleten vom 27. bis 29. Mai zu den 16. Weltmeisterschaften im Aerobicturnen nach Baku entsenden würde. Wenige Tage später kam die befürchtete Nachricht. „Aufgrund der aktuellen Lage sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass es gegenwärtig nicht zu verantworten ist, unsere Turnerinnen und Turner sowie die erforderlichen Begleitpersonen in ein vom Auswärtigen Amt als Risikogebiet eingestuftes Land zu entsenden“, teilte der DTB mit. Als weitere Gründe wurden das fehlende Hygienekonzept, die bei der Einreise geltende 14-tägige Quarantänepflicht, und der Umstand, dass keine Direktflüge gebucht werden könnten, genannt.

WM in Aserbaidschan findet statt, aber ohne Deutschland

„Natürlich sind wir enttäuscht, andererseits ist die Entscheidung in diesen Zeiten absolut verständlich. Für uns ist es schon ein Erfolg, zu wissen, dass man von der Leistung her hätte fahren können“, sagte Blau-Weiss-Trainerin Jenna Eggenstein. Die WM wird auch ohne deutsche Beteiligung stattfinden. Für die parallel terminierte Jugend-WM haben 15 von 33 Nationen abgesagt, für die Erwachsenen liegen Zahlen noch nicht vor.

Für Charlotte Densch ist es das dritte Mal, dass ihr die Teilnahme an der Weltmeisterschaft verwehrt bleibt. Schon 2020 war die 18 Jahre alte Buchholzerin vom DTB für die Titelkämpfe in Baku nominiert worden, die dann generell abgesagt und auf dieses Jahr verschoben wurden. Im Februar 2021 sagte der DTB seine Teilnahme ein zweites Mal ab, um angesichts sich bessernden Infektionszahlen einige Zeit später einen Rückzieher zu machen. Jetzt also der endgültige Abpfiff für die deutschen Aerobicturnerinnen. Zu allem Überfluss wurde einen Tag nach dem WM-Verzicht auch noch die Veranstaltung „Turnen 21“ abgesagt. Am langen Himmelfahrts-Wochenende hätten in Leipzig die Deutschen Meisterschaften von fünf verschiedenen Turn-Sportarten stattfinden sollen, unter anderem im Aerobicturnen und im olympischen Gerätturnen (siehe eigener Artikel auf dieser Seite).

Perfekte Trainingsbedingungen, auch im internationalen Vergleich

„Langsam reicht es mit den Absagen. Bei mir sind auch Tränen geflossen und zwei, drei Tage lief gar nichts. Ich fand mich selbst anstrengend“, sagte Densch, die sich langsam aus dem emotionalen Tief befreit hat. „Ich versuche, das Positive herauszustellen. Irgendwann werde ich für den ganzen Aufwand belohnt.“ Zu dem ganzen Aufwand gehört der Aufbau einer neuer Choreographie in Zusammenarbeit mit ihren Trainerinnen Jenna Eggenstein und Katharina Huth und die räumliche Trennung von den Eltern. Als diese 2019 von Buxtehude nach Flensburg umzogen, entschied sich Charlotte Densch, in der Region zu bleiben. „Ich bin wegen des Sports hier geblieben. Es ist einfach zu cool in Buchholz. Wir haben perfekte Trainingsbedingungen, auch im internationalen Vergleich. Hoffentlich bleibt das noch lange so“, schwärmt die Gymnasiastin vor allem von dem 2020 eingerichteten Sportzentrum von Blau-Weiss Buchholz im ehemaligen Plaza-Baumarkt.

Neues Ziel: Europameisterschaft im September in Italien

Langsam richtet sich ihr Blick wieder nach vorn. Als Ersatzveranstaltung für die abgesagten Deutschen Meisterschaften in Leipzig soll es Mitte Mai einen Online-Wettkampf, allerdings ohne Titelvergabe, geben. Mitte Juni steht die Qualifikation für die Europameisterschaften 2021 im Terminkalender, die aller Voraussicht nach Ende September in Italien stattfinden sollen. Möglicherweise kann Charlotte Densch dort ihren Frieden mit dem Sportjahr 2021 schließen und eines ihrer langfristigen Ziele früher als gedacht realisieren: das Finale der besten Acht bei einer Welt- oder Europameisterschaft zu erreichen.