Hamburg. Darf der Hamburger Regionalligaclub heute jubeln? Am Abend ist die Verleihung des Preises in Berlin. Zwei weitere nominierte Vereine.

Sollte Wladimir Bondarenko (53) am morgigen Dienstag einen funkelnagelneuen Mercedes-Benz Vito vor dem Clubheim von Altona 93 an der Adolf-Jäger-Kampfbahn parken, so hat er nicht etwa im Lotto gewonnen. Der Integrationsbeauftragte von Altona 93 hätte auch keinen neuen Hauptsponsor an Land gezogen. Nein, das Auto wäre eine aus Berlin mitgebrachte Belohnung für den gesamten Verein. Denn dort verleihen am heutigen Montagabend DFB und Mercedes-Benz zum elften Mal den Integrationspreis. Nominiert sind neben dem Hamburger Kultclub der FC Ente Badgad aus Mainz und der SV Witzschdorf aus Sachsen.

Der Sieger erhält das Luxusgefährt, der Zweit- und Drittplatzierte jeweils 10.000 Euro in bar. Und dem Vernehmen nach soll Altona gute Chancen haben, den Hauptpreis abzuräumen.

Integration durch Fußball

„Egal welche Bevölkerungsschicht, egal welches Land, egal welche Hautfarbe – wir wollen ein Multikulti-Verein sein“, lieferte Altonas Ehrenvorsitzender Volker Kuntze-Braack die perfekte Überschrift für die im Jahr 2012 gestartete „Integrationsoffensive“.

Sie hat viel mit Wladimir Bondarenko zu tun. Der kasachische Spätaussiedler und Maschinenbauingenieur bei einer mittelständischen Firma kam 1995 nach Deutschland. „Ich konnte nichts sagen, außer: Hallo, ich bin Wladimir. Aber nahe meiner Wohnung hörte ich Leute Fußball spielen. Der Ball ploppte immer wieder auf. Ich fragte, ob ich mitspielen kann. So begann meine Integration in Deutschland“, erinnert sich Bondarenko.

Seine eigene Geschichte animierte ihn, sich bei Altona 93 zu engagieren. Bis heute ist er Jugendtrainer, entwickelte darüber hinaus gemeinsam mit seinen Mitstreitern Jugendwart Michael Braunheim, Jugendleiter Wolfgang Oestert und dem jetzigen DFB-Stützpunkttrainer Fabian Seeger eine Reihe von erfolgreichen Integrationsprojekten. „Fabian hatte dann die Idee zur Bewerbung um den DFB-Integrationspreis. Er hat besonders viel Arbeit reingesteckt. Wir haben ihm viel zu verdanken“, sagt Bondarenko.

Betreuer und Trainer mit Migrationshintergrund

Punkten kann Altona 93 schon mit der Größe seiner Jugendabteilung. 600 Jugendliche kicken in 36 Teams, 40 Prozent der Spielerinnen und Spieler besitzen einen Migrationshintergrund (Stadtteil: 30 Prozent). Doch das ist nicht alles. So veranstaltet der Verein eine jährliche Mini-Weltmeisterschaft der Jugendmannschaften auf dem vereinsinternen Integrationsfest (inklusive Ständen mit 40 Nationen und landestypischem Essen).

Und er entwickelte das System der Länderpaten. Gezielt wirbt der Club um Betreuer, Trainer und Schiedsrichter mit Migrationshintergrund, die bereits gut integriert sind. Diese wiederum sprechen in ihren Communitys die Menschen auf Altona 93 an – und begeistern oft Kinder und Eltern für den Club. „Die Idee geht davon aus, dass es besonders wichtig ist, die Sprachbarriere zu durchbrechen. Das habe ich ja auch am eigenen Leib erlebt“, sagte Bondarenko. „Das klappt besser mit Vorbildern aus dem eigenen Kulturkreis, die das schon geschafft haben.“ Und hat Auswirkungen. Ein Vorzeigebeispiel sei der elfjährige Mohammed Merhi. „Er kam vor zwei Jahren als Flüchtling aus Syrien. Er konnte kein Deutsch. Mittlerweile spricht er die Sprache sehr gut, hat viele Freunde in seiner Mannschaft gefunden.“ Der DFB erkannte Altonas Bemühungen schon 2014 an – und ernannte den Club zum DFB-Stützpunktverein für Integration.

Altona will DFB auf FIFA-Beschränkung ansprechen

Nutzen möchte Bondarenko die Berliner Veranstaltung auch, um beim DFB erneut für Unterstützung bezüglich einer umstrittenen Fifa-Regel zu werben. Sie verbietet den Wechsel von minderjährigen Spielern aus dem Ausland in Clubs der ersten vier Spielklassen (Abendblatt berichtete). Die Regel behindere die Integrationsarbeit des Clubs: „Wir möchten die Kinder nicht an andere Vereine abgeben. Sie fühlen uns bei uns wohl. Wir tun alles dafür, dass sie einen Pass erhalten und bei uns Fußball spielen dürfen.“

Altona 93 trauert um sein Ehrenratsmitglied und früheren zweiten Vorsitzenden und Liga-Obmann Jürgen Kuntze-Braack. Er verstarb im Alter von 80 Jahren.