Luhdorf . Kanutalentbereitet sich in Südfrankreich in einem Trainingslager auf ihre erste Saison bei den Erwachsenen vor.

Den begeisternden Applaus hat die „Sportlerin des Jahres“ gleich mit in ihre harte Trainingsarbeit mitnehmen können. Am Tage nach der großen Ehrung beim Fest des Sports des Kreissportbundes Harburg-Land in der Stadthalle in Winsen ist Kira Kubbe in den Süden aufgebrochen. In Pau, der französischen Provinzstadt nahe der spanischen Grenze, bringt der Deutsche Kanu-Verband seine Spitzenathleten in Schwung. Vierzehn Tage Trainingslager. Das heißt mindestens drei quälende Trainingseinheiten am Tage. Und Kira Kubbe, das 18 Jahre alte Slalom-Talent vom MTV Luhdorf-Roydorf, ist erstmals bei den erwachsenen Top-Leuten dabei. Die sechsfache Deutsche Nachwuchsmeisterin im Einer-Canadier wird im Juni 19 Jahre alt. Für die Schülerin, die seit drei Jahren das Sportinternat in Leipzig besucht, wird es ihr erstes Jahr im Kreise der Erwachsenen. Und das ist im internationalen Hochleistungssport immer eine der härtesten Hürden.

„Wie geht es Kira?“, haben wir bei der Wildwasser-Spezialistin per Handy im Trainingslager nachgefragt. „Müde und abgekämpft bin ich“, hören wir sie lachend sagen. „Um sieben Uhr mussten wir heute Morgen raus. Morgens und nachmittags war ich jeweils 60 Minuten auf der Slalomstrecke. Danach ist man nicht mehr frisch. In den Kraftraum mussten wir übrigens auch noch. Morgen aber kann ich endlich mal ausschlafen. Dann haben wir um 20.30 Uhr die letzte Trainingseinheit“.

„Bei den Junioren ist Kira absolute Weltspitze“, hatte Bundestrainer Thomas Küfner, der auch ihr Heimtrainer in Leipzig ist, beim „Fest des Sports“ bekräftigt. Er hatte seine Athletin begleitet, die zu einer der Hoffnungen für Olympia 2020 in Tokio heranreifen soll. Im vorigen Jahr hat Kira Silber bei der Europameisterschaft und Silber und Bronze bei der Weltmeisterschaft erkämpft. Was Außenstehende oft unterschätzen, der Bundestrainer deshalb aber umso mehr beton: Slalom im Wildwasser ist die weitaus komplexeste und schwierigste Disziplin im gesamten Kanusport.

Thomas Küfner: „Die Erfahrung zeigt, Athleten brauchen bis zu 15 Jahre, ehe sie absolute Spitze sind. Die Rennkanuten peitschen geradeaus. Beim Slalom aber ist jeder Wettkampf anders. Da bringt jede Sekunde eine Überraschung und eine neue Herausforderung. Du musst nicht nur über Jahre deine Technik perfektionieren, du brauchst auch enorm viel Kraft bei unserem packenden Sport.“ Kira Kubbe wiegt, „maximal“ wie sie lachend sagt, 58 Kilo. Man kann sie leicht als eher zierliches Mädchen einordnen. Aber selbst kräftige Männer sollten sie nicht leichtfertig zum Bankdrücken herausfordern. Kira stemmt dabei 80 Kilo mit den Armen nach oben. „Diese Kraft braucht sie auch in den vielen Extremsituationen im Wettkampf“, bekräftigt der Bundestrainer.

Die Kanuten sind seit 1992 Deutschlands erfolgreichster Sportverband bei Olympischen Sommerspielen. Und die Slalom-Wettkämpfe hatten in Rio überraschend hohe Einschaltquoten im Fernsehen. Für Deutschland allerdings gab es keine der angepeilten Medaillen. Selbst Franz Anton und Jan Benzien, die amtierenden Weltmeister im Zweier-Canadier, waren nur Vierte geworden. Diese Bootsklasse wurde für die Spiele in Tokio gestrichen. Dafür wird der Canadier-Einer der Frauen neu im Programm sein. Dadurch ist Olympia für das Mädchen aus Roydorf zur großen Hoffnung geworden.

„Aber natürlich weiß ich, dass ich mit meinem Sport kein Geld verdienen kann“, sagt Kira Kubbe. Und Thomas Küfner, ihr Heim- und Bundestrainer, fügt noch hinzu: „Die besten Boote für den Slalomsport kommen inzwischen aus Bratislava und kosten rund 2500 Euro. Und das Paddel 400 Euro. Natürlich braucht jeder Sportler mindestens zwei davon. Und die muss er selbst finanzieren.“

Neben ihrem Tanz durch Stangen in wildschäumenden Gewässern sind Katzen, Hunde und Pferde die zweite besondere Leidenschaft der Olympia-Hoffnung aus Roydorf. „Deshalb will ich auch Veterinärmedizin studieren“, hatte die „Sportlerin des Jahres“ bei der Ehrung verraten. Und deshalb wird sie das Trainingslager des Nationalkaders auch eine Woche früher verlassen. Die Arbeiten und Prüfungen für ihr Abitur haben in nächster Zeit Vorrang für sie. Aber auch in diesen Wettstreit geht sie mit der gewohnten Zuversicht.

Der Unterricht im Sportinternat in Leipzig ist natürlich auf die Belastungen der zukünftigen Olympioniken abgestimmt. „Wir lassen ihnen ein Schuljahr mehr Zeit für das Abitur“, erläutert Thomas Küfner. „Ihr Tag beginnt in der Regel früh um sieben Uhr mit der ersten Trainingseinheit. Der Unterricht ist mehr auf die Mittagsstunden konzentriert. Er ist auf wöchentlich 1000 Minuten, also gut 16 Stunden, begrenzt. Am Nachmittag und Abend steht wieder der Leistungssport im Mittelpunkt.“

Dazu kommen die Trainingslager, bei denen die ehrgeizigen Nachwuchssportler auf die erfahrenen Stars ihrer Disziplin treffen. Mit Tokio im Visier wollten die Kanuten ein Trainingslager in China organisieren. „Wir haben aber keine Fluglinie gefunden, die unsere Boote forthin transportiert“, berichtet Thomas Küfner. „Aber ins Olympia-Land Japan schon. Im Herbst fliegen wir deshalb also zu einem Trainingslager in Land der aufgehenden Sonne.