Der HSV-Hürdensprinter kämpft bei den deutschen Hallenmeisterschaften um die WM-Norm. Es könnte sein letzter großer Auftritt sein.

Hamburg. Die Visitenkarte ist schon fertig. „Helge Schwarzer, Personal Trainer/Head of Hamburg“ ist darauf vermerkt, darüber der Firmenname: „Athletes For All“. In zwei Wochen soll auch die Internetseite fertig sein. Dann kann die zweite Karriere von Helge Schwarzer so richtig losgehen.

Zunächst aber erlebt die erste Karriere an diesem Wochenende noch einmal einen Höhepunkt. Vielleicht ist es schon der letzte, ganz ausschließen kann Schwarzer das nicht. Es sei denn, er qualifiziert sich bei deutschen Leichtathletik-Hallenmeisterschaften in Leipzig über 60 Meter Hürden für die Weltmeisterschaften in zwei Wochen in Sopot (Polen). Aber Schwarzer wäre schon zufrieden, einmal wieder einen richtig guten Lauf hinzulegen.

Mit 7,80 Sekunden wurde er in dieser Saison schon gestoppt. Es ist die drittbeste Zeit in Deutschland, aber sie liegt 15 Hundertstel entfernt von der WM-Norm und noch weiter von Schwarzers Bestleistung, 7,58 Sekunden, gelaufen 2012 in Luxemburg. Damals war Schwarzer 26 Jahre alt und voller Ideen, was er in der Leichtathletik noch alles erreichen will.

Inzwischen denke er nur noch von Saison zu Saison. Selbst der diesjährige Höhepunkt, die Europameisterschaften im August in Zürich, erscheint ihm sehr weit weg. Gedanken an die Olympischen Spiele in Rio 2016 lässt der Hamburger Hürdensprinter erst gar nicht zu. Nicht, dass er es sich sportlich nicht zutrauen würde. „Aber ich kann mir doch keine hohen Ziele setzen, wenn ich in ein paar Monaten meine Miete nicht zahlen kann“, sagt Schwarzer.

Die Frage, wie er sein Leben finanziert, lässt sich nicht mehr auf die Zeit nach dem aktiven Sport aufschieben. Sie drängt sich auf, nachdem in den vergangenen beiden Jahren vorzeigbare Ergebnisse ausblieben und eine Geldquelle nach der anderen versiegte. Einzig der HSV fördert ihn noch, wenn auch längst nicht mehr so großzügig wie 2009, als Schwarzer bei der WM in Berlin ins Halbfinale vordrang. Sollten die Profifußballer tatsächlich absteigen, könnte das aber auch die Leichtathleten mit in den Abgrund reißen.

Schwarzer, 28, will auf diesen Ernstfall vorbereitet sein. Er hat ein Praktikum bei der Agentur Sportfive angefangen und kümmert sich dabei in Teilzeit um die Vermarktung des Teams Hamburg, aus dem er selbst herausgerutscht ist. Im Sommer will er sein Studium in Betriebswirtschaftslehre abschließen. Und er hat sich „Athletes For All“ angeschlossen, einem Netzwerk aktiver und ehemaliger Leistungssportler, die in 15 bis 20 deutschen Städten persönliches Training anbieten. Schwarzer soll die Region Hamburg abdecken.

„Ein, zwei Kunden“ gebe es bereits. Die Arbeit mache Spaß, aber natürlich gehe es zulasten des eigenen Trainings. Mehr als eine Einheit am Tag bekomme er unter der Woche kaum unter. Es müssten zwei sein, um es im Sommer ins EM-Finale zu schaffen. Aber wer soll ihm das bezahlen? Selbst die Arbeit mit Bundestrainer Rüdiger Harksen hat Schwarzer aufgegeben, weil er sich die Fahrten nach Mannheim nicht mehr leisten konnte. Jetzt lässt er sich von Wolfgang Striezel in Hanstedt betreuen und sucht ansonsten im Training die Nähe zu der starken HSV-Weitsprunggruppe, zu der auch seine Freundin Nadja Käther und Europameister Sebastian Bayer gehören. Mit ihnen ist er am Freitag auch gemeinsam nach Leipzig gefahren. Bayer kommt nur als Ehrengast, er konzentriert sich sportlich auf die Freiluftsaison.

So viel Geduld hat Schwarzer nicht mehr mit seinem Sport. Und doch – oder vielleicht gerade deshalb – sei er vor dem Rennen am Sonnabend „relativ unbeschwert“. Und wenn es wirklich sein letzter Auftritt als Hürdensprinter sein sollte? Geht das Leben danach trotzdem weiter. Mal sehen, was es Helge Schwarzer bringt.

Eurosport berichtet am Sonnabend von 18 bis 20 Uhr und am Sonntag von 15.45 bis 17.15 Uhr live von den deutschen Hallenmeisterschaften.