Der Hamburger Kickboxer Ashkan Gohar ist am Sonnabend Hauptkämpfer bei der Gala „Get in the Ring“ im Audimax der Uni Hamburg. Der Iraner muss im Alltag auch gegen Vorurteile kämpfen.

Hamburg. Die finsteren Blicke. Das Misstrauen. Ja, auch die Beleidigungen, das böse Wort „Taliban“, das man ihm schon oft hinterhergerufen hat – Ashkan Gohar hat sich an all das mittlerweile gewöhnt. „Ein junger Mann mit Glatze und langem schwarzem Bart, dunklem Teint und einem fremd klingenden Namen, so etwas macht eben vielen Menschen Angst“, sagt er. Auch wenn er sich mehr Toleranz wünsche, „ein Deutscher mit Glatze ist ja auch nicht gleich ein Nazi“, verübeln will er seinen Mitmenschen ihre Vorurteile nicht. „Ich kann es ja eh nicht ändern“, sagt er.

So ganz stimmt das nicht, denn wer die Chance hat, mit Ashkan Gohar ein Gespräch zu führen, der merkt schnell, dass der 29 Jahre alte Iraner mit tumben Klischees falsch verurteilt ist. Gohar ist Moslem, aber er nimmt die Religion nicht allzu ernst, „weil Fanatismus immer schlecht ist“. Mit sieben Jahren flüchtete er mit seinen politisch verfolgten Eltern aus Teheran nach Hamburg, in die Stadt, die längst seine Heimat geworden ist. In Hamburger Mundart spricht er von seinem Leben, das ganz auf den Sport ausgerichtet ist, den Kampfsport, der ihn davon abgehalten habe, jemals außerhalb eines Rings Gewalt anzuwenden. Menschen, die Gohar besser kennen, beschreiben ihn als ruhigen, höflichen und lustigen Zeitgenossen. Es sei denn, man steht ihm im Ring gegenüber.

Dort wird der 1,77 Meter große Athlet, der als Elfjähriger mit dem Boxen begann und nach rund 50 Amateurkämpfen vor acht Jahren im Barmbeker Gym Ardalan zum Kickboxen kam, zur Furie. Getreu seinem Motto „Entweder er oder ich“ stürmt er auf seine Gegner los wie der wild gewordene Stier auf den Torero. „Für mich gibt es nur den Vorwärtsgang. Ich will jeden Kampf so früh wie möglich gewinnen, und dafür gebe ich alles“, sagt er. Wer Gohar in Aktion sieht, der kann sich vorstellen, warum viele Menschen Kickboxen als zu brutal abstempeln. Für ihn selbst gehört die Aggression zu seinem Sport dazu. „Man muss es lieben, sich dem Duell Mann gegen Mann zu stellen, sonst kann man nichts erreichen. Und ich liebe es“, sagt er.

Seine Erfolge sprechen für sich. Gohar ist in der Disziplin K1, bei der neben Schlägen und Tritten auch Kniestöße eingesetzt werden dürfen, Weltmeister des renommierten Verbands WFCA in der Klasse bis 72,6 Kilogramm. An diesem Sonnabend (Beginn 18.30 Uhr) möchte er auf dem zehnten Jubiläum der von Kampfsport-Ikone Till Görres initiierten Veranstaltungsreihe „Get in the Ring“ im Audimax der Universität Hamburg den Interkontinental-Titel in der Klasse bis 70 Kilo erkämpfen. Gegner ist der Däne Frank Madsen, den er im vergangenen Jahr in dessen Heimat durch Abbruch in Runde eins besiegt hatte. „Der sinnt natürlich auf Revanche“, sagt Gohar, „das verspricht ein harter Kampf zu werden.“ Ein Kampf ganz nach seinem Geschmack also, was das breite Grinsen auf seinem Gesicht unterstreicht.

Zwei Reihen makellos weißer Zähne entblößt er dabei, er ist froh, dass sein Aussehen unter seinem Kampfstil noch nicht gelitten hat. Einen Kiefer- und Jochbeinbruch hat er ohne sichtbare Dauerschäden überstanden, die schwerste Verletzung war ein Kreuzbandriss, zugezogen vor drei Jahren bei der siebten „Get in the Ring“-Auflage. Abergläubisch ist er nicht und kommt deshalb trotzdem gern wieder. „In Hamburg zu kämpfen, vor den eigenen Fans, das ist das Größte“, sagt er. Körperlich und mental fühle er sich auf dem Höhepunkt seiner Leistungsfähigkeit.

Auch deshalb sei ein Karriereende für ihn kein Thema, auch wenn der zeitliche Aufwand für seinen Sport in krassem Missverhältnis zum kaum vorhandenen Verdienst steht. Zwar jobbt er zwei bis drei Stunden täglich als Fitnesstrainer, der Rest der Zeit geht aber fürs Training drauf. Den Großteil des Haushaltsgelds verdient seine Frau, mit der er in Oststeinbek lebt. So lange es geht, will er dieses Leben weiterleben. Er raucht nicht, trinkt nicht, geht nicht feiern. Vor zwei Jahren hat er sogar sein Handy abgeschafft, weil er mehr Ruhe wollte. In seiner Freizeit schaut er am liebsten Sport im Fernsehen. „Ich weiß, dass ich durch meine Sport-Verrücktheit viele schöne Dinge verpasse. Aber die Zeit für anderes wird irgendwann kommen.“ Jetzt ist die Zeit zum Kämpfen. Im Ring, nicht gegen Vorurteile. Ashkan Gohar kann sich an alles gewöhnen. Nur nicht an Niederlagen.