Serre Chevalier. Nach einem Sturz muss der beste Sprinter der Tour auf der ersten Alpenetappe aufgeben. Roglic gewinnt, Froome weiter in Gelb.

Marcel Kittel kämpfte wie ein Löwe, biss auf die Zähne, doch die Schmerzen waren nicht zu ertragen: Auf der ersten Alpenetappe nach Serre Chevalier hat der deutsche Top-Sprinter die 104. Tour de France aufgegeben. Kittel war kurz nach dem Start des 183 Kilometer langen Teilstücks in einen Massensturz verwickelt gewesen, bei dem er sich Verletzungen zuzog, die eine Weiterfahrt unmöglich machten. Primoz Roglic vom Team LottoNL-Jumbo konnte die Etappe am Ende für sich entscheiden, Christopher Froome (Sky) konnte als Dritter das Gelbe Trikot verteidigen.

Der Ausstieg ist extrem bitter für Kittel, der in diesem Jahr fünf Etappen gewonnen hatte und in der Sonderwertung um das Grüne Trikot des Punktbesten führte. Nur noch bis zum Sonntag hätte der Thüringer durchhalten müssen. In Paris auf der Avenue des Champs-Élysées noch einmal zu glänzen und dann auf dem Prachtboulevard als erster Deutscher seit 2001 in Grün das Podium zu besteigen, war das Ziel des 29-Jährigen gewesen. „Das wäre schon was sehr Besonderes“, hatte er gesagt. Kittel kann sich diesen Traum nun nicht erfüllen.

Etwa 20 Kilometer hatte das Peloton auf dem Abschnitt zurückgelegt, der auch das große Finale um den Tour-Gesamtsieg einleitete, als eine Unachtsamkeit in Feld auch Kittel mit zu Boden riss. Der Wahlschweizer berappelte sich, und nachdem er einen kaputten Schuh ausgetauscht hatte, fand er zunächst auch wieder Anschluss. Sein Grünes Trikot wies zwar Dreckspuren auf und war auch an einigen Stellen zerrissen, aber zunächst schien alles nicht so dramatisch.

Schmerzen wurden immer stärker

Auch als Kittel sich am rechten Arm einen Verband von Tour-Ärztin Florence Pommerie anlegen ließ, wirkte die Situation noch so, als könne sich der Arnstädter davon erholen. Doch Meter und Meter, Tritt um Tritt wurden die Schmerzen offenkundig stärker. Kittel stellte sein Rad ab und setzte sich tief enttäuscht in das Begleitfahrzeug seines Teams Quick-Step Floors.

Dabei war diese Tour bis dahin so märchenhaft für ihn gelaufen. Kittel siegte auf der zweiten Etappe nach Lüttich, die über viele Kilometer durch Deutschland führte. Er brach danach in Tränen aus, weil er überwältigt war von der Begeisterung an den Straßen zwischen Düsseldorf und der belgischen Grenze.

Matthews saß im Nacken

Seinen Siegeszug setzte Kittel fort in Troyes, Nuits-Saint-Georges, Bergerac und Pau. Der blonde Hüne steigerte sich von acht Tageserfolgen (2013 und 2014) vor der 104. Tour auf nunmehr 14 und übertraf den deutschen Etappenrekord von Erik Zabel. Zudem egalisierte Kittel in Pau mit seinem fünften Triumph die 40 Jahre alte Bestmarke von Dietrich Thurau für die meisten deutschen Etappensiege während einer Großen Schleife.

Und als Krönung dieser nahezu einmaligen Erfolgsserie hatte Kittel auch das „Maillot vert“ vor Augen. Zwar hatte der Australier Michael Matthews auf den mittelschweren Etappen Punkt um Punkt aufgeholt und sich am Mittwoch sogar bis auf neun Zähler angenähert. Doch Kittels großes Plus war der prestigeträchtige Sprint in Paris, den er schon zweimal für sich entschieden hatte. „Bis Paris kann viel passieren“, hatte er einschränkend immer wieder betont. Nun musste Kittel diese leidvolle Erfahrung selbst machen.