Die Hamburger Profis sprechen in einem Interview über geliehene Klamotten, gemeinsame Fernsehabende und gegenseitige Stadionbesuche.

Hamburg. Abendblatt:

Herr Takyi, direkt nach Ihrer Rückkehr aus Fürth nach Hamburg sind Sie bei Guy Demel eingezogen. Wie war es für Sie als St. Paulianer, mit einem HSVer in einer WG zu wohnen?

Charles Takyi:

Eigentlich gab es gar keine echten Berührungspunkte. Guy hat mir während seines Urlaubs in Paris seine Wohnung zur Verfügung gestellt, bis ich was Eigenes gefunden habe. Meine Wohnungssuche ging glücklicherweise sehr schnell zu Ende.

Abendblatt:

Herr Demel, wie hat Ihr Freund Ihnen die Wohnung hinterlassen?

Guy Demel:

Alles war in Ordnung. Dafür hat aber eher meine Haushaltshilfe als Charles gesorgt. Dank ihr hat man gar nicht gemerkt, dass er hier war.

Takyi:

Da hast du aber noch nicht in deinem Kleiderschrank nachgesehen. Ich muss gestehen, dass ich mir schon ab und zu ein paar Klamotten ausgeliehen habe. Schließlich kam ich direkt aus Ghana und hatte meine Sachen noch nicht gewaschen.

Abendblatt:

War es für Sie selbstverständlich, Ihren Freund trotz der vermeintlichen Rivalität zwischen dem HSV und St. Pauli bei sich wohnen zu lassen?

Demel:

Natürlich. Als ich damals nach Hamburg gekommen bin, hat Charles, der damals noch beim HSV spielte, mir unheimlich viel geholfen. Er hat mir das Eingewöhnen beim HSV einfach gemacht. Für mich ist er seitdem nicht nur ein Freund, sondern ein Bruder. Deswegen musste ich auch nicht lange überlegen, ob er bei mir wohnen darf.

Abendblatt:

Was schätzen Sie aneinander?

Takyi:

Guy und ich haben uns von Anfang an gut verstanden. Er ist ein ganz lieber Mensch, der einem sehr viel gibt ...

Demel:

... ich bin Abwehrspieler, ich bin nicht lieb.

Takyi:

... ein ganz lieber Mensch außerhalb des Platzes, aber ein ganz harter Abwehrspieler auf dem Rasen (beide lachen). Guy hat gerne Freunde um sich.

Abendblatt:

Ist es einfach, im Geschäft Profifußball echte Freundschaften zu schließen?

Demel:

Ich habe nur wenige gute Freunde. Wahre Freunde hat man nicht viele im Leben. Charles ist nach zehn Jahren im Profigeschäft einer der wenigen Fußballer, der ein echter Freund ist.

Takyi:

Und obwohl Guy im Gegensatz zu mir fußballverrückt ist, spreche ich mit ihm auch über andere Dinge. Das ist aber nicht immer einfach, weil er sich wirklich alle möglichen Spiele im Fernsehen anschaut.

Abendblatt:

Zusammen gewohnt haben Sie zwar nicht wirklich, aber im Trainingslager haben Sie sich früher oft ein Zimmer geteilt. Wer ist der Morgenmuffel?

Takyi:

Das kann man gar nicht so genau beurteilen, weil ich immer früher aufstehen musste als er. Meine Laktatwerte waren damals meistens schlechter als seine. Guy durfte ausschlafen, während ich Runden laufen musste.

Abendblatt:

Jetzt wohnt wieder jeder in seiner eigenen Wohnung. Werden Sie sich trotzdem gegenseitig bei Spielen besuchen?

Demel:

Natürlich war ich auch schon am Millerntor, um Charles zu sehen, und ich werde auch diese Saison mal vorbeischauen. Die Stimmung bei Heimspielen ist schon beeindruckend. Und auch St. Paulis Fans haben mich nett empfangen, von übertriebener Rivalität war nichts zu spüren.

Takyi:

Als ehemaliger HSVer habe ich natürlich schon häufiger Spiele in der Nordbank-Arena verfolgt. Dank Guy habe ich zum HSV einen sehr guten Draht, da spielt es keine große Rolle, dass ich für den FC St. Pauli spiele. Wenn ich nicht ins Stadion gehe, schaue ich mir statt der Konferenzschaltung immer Hamburgs Spiele im Fernsehen an.

Abendblatt:

Gab es mal Momente, in denen Sie bereut haben, den HSV verlassen zu haben?

Takyi:

Ich stehe voll hinter meiner Entscheidung von damals. Für meine Entwicklung war es genau richtig, den Schritt vom HSV zu St. Pauli zu gehen. Aber natürlich fragt man sich manchmal, was gewesen wäre, wenn ...

Abendblatt:

Herr Demel, was kann Takyi mit dem FC St. Pauli in dieser Saison erreichen?

Demel:

Sehr viel. Die Mannschaft ist spielerisch schon sehr weit. Mit Charles haben sie noch mal an Qualität gewonnen. Früher oder später sollte das Ziel sein, in die Bundesliga aufzusteigen. Charles ist nicht mehr der Charles, der er noch als junger Mann beim HSV war. Er ist mittlerweile ein Führungsspieler, der das auch zeigen will.

Abendblatt:

Hat er bei Ihnen um Rat gebeten, als er sich in Fürth nicht wohlgefühlt hat?

Demel:

Ehrlich gesagt hat er das diesmal für sich behalten. Aber wir haben ja beide den gleichen Berater, deswegen wusste ich schon irgendwann Bescheid. Sein Wechsel zurück zum FC St. Pauli war in jedem Fall die richtige Entscheidung. Einige Fußballer können es vielleicht auf dem Rasen ausblenden, wenn sie sich außerhalb des Platzes nicht wohlfühlen. Aber Charles und ich brauchen eine gute Stimmung, um auch gut Fußball zu spielen.

Takyi:

Um genau das zu erkennen, war das Jahr in Fürth für mich sehr lehrreich. Dort hatte ich einen schweren Start, weil ich dort nicht so viele Leute kannte. Mit der Zeit wurde es zwar besser, aber ich fühlte mich nie so heimisch wie in Hamburg.

Abendblatt:

Trainer Bruno Labbadia holte Sie nach Fürth, verabschiedete sich aber noch vor dem letztjährigen Saisonstart nach Leverkusen. Haben Sie mit ihm schon in Hamburg gesprochen?

Takyi:

Das hat sich noch nicht ergeben. Wir haben uns aber damals unterhalten, als sein Wechsel zu Bayer feststand. Für mich war das zwar eine blöde Situation, aber natürlich habe ich seine Entscheidung nachvollziehen können. Jeder Trainer hätte genauso gehandelt wie er. Und ich glaube auch noch immer, dass er ein sehr guter Trainer ist.

Abendblatt:

Was fasziniert Sie so sehr an Labbadia?

Takyi:

Er wollte mich bereits zu seiner Zeit als Trainer in Darmstadt verpflichten. Schon damals war ich beeindruckt von seiner Art. Er hat mir im Gespräch ganz genau erläutert, wo er meine Stärken, aber auch meine Schwächen sieht. Er will die Mannschaft immer besser machen, und als Spieler hat man das Gefühl, dass er der richtige Mann für die jeweilige Aufgabe ist.

Demel:

Labbadia hat seine eigene Philosophie, die er uns näherbringen will. Für den HSV wäre es gut, wenn er länger bleiben würde als seine Vorgänger. Erst wenn ein Trainer mehr als nur ein Jahr eine Mannschaft trainiert, kann man seine Handschrift erkennen.

Abendblatt:

Herr Takyi, was kann Guy Demel mit dem HSV in dieser Saison erreichen?

Takyi:

Mich hat vor allem beeindruckt, wie gut die Mannschaft die Querelen weggesteckt hat. Mit den Neuzugängen traue ich dem HSV durchaus zu, um die vorderen Plätze mitzuspielen. Ziel sollte die Qualifikation zur Champions League sein.

Demel:

Letzte Saison haben Charles und ich einige Champions-League-Spiele bei mir im Fernsehen gesehen. Es wäre schön, wenn ich mal wieder auf dem Rasen dabei wäre.

Abendblatt:

Kommt bei Ihnen ein wenig Wehmut bei dem Gedanken auf, dass Ihre gemeinsamen Junggesellenabende demnächst vorbei sein könnten?

Demel:

Wieso vorbei?

Abendblatt:

Weil nach drei Jahren endlich auch Ihre Familie aus Paris nach Hamburg zieht.

Demel:

Das bedeutet aber nicht, dass ich nicht mehr mit meinen Freunden Fußball schauen kann. Meine Frau weiß doch, dass Fußball mein Job ist. Trotzdem freue ich mich sehr, dass meine Familie endlich bei mir in Hamburg ist. Meine Frau, meine Tochter und meine zweite Tochter, die demnächst zur Welt kommt, werden mir zusätzlichen Rückhalt geben. Und wenn ich für einen Moment mal genug von den Frauen habe, kann ich mich immer noch mit Charles treffen.

Interview: Kai Schiller

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