Tipp-Kick war gestern. Heute spielt man Golf im Miniaturformat. In Hamburg finden regelmäßig Pit-Green-Turniere statt.

Hamburg. Als Letzter seiner Gruppe stellt Sven-Ole Lüthke (24) sein Golf-Bag am Abschlag ab. Er nimmt seinen Wedge, den man normalerweise für Schläge aus einem Sandbunker oder direkt vor dem Green verwendet, aus der Tasche und richtet sich aus. „Ein Wedge beim Abschlag ist etwas ungewöhnlich“, sagt er. Auf dem um die Ecke gehenden Par-4-Kurs wird aber schnell klar, dass er eine möglichst kurze und genaue Flugphase mit etwas längerer Rollphase anvisiert, um möglichst mittig durch die Flügeltür zu kommen. Eine Flügeltür auf einem Golfplatz. Wo gibt es denn sowas?

Die Antwort: in Stellingen. Genauer gesagt im dortigen Haus der Jugend. Und gespielt wird Micro-Golf, ein artverwandtes Spiel des Klassikers Tipp-Kick. Nur eben für Golfer. Oder vielmehr für Miniatur-Golfer. Lüthke hat vor fast zwei Jahren seine Leidenschaft an der kleinen Eisenfigur, die per Knopf-Kopf-Druck einen eckigen Ball kickt, gegen die knapp zwölf Zentimeter kleine Golfernachbildung aus weißem Polyamid eingetauscht. Mit Freunden gründete er im Januar dieses Jahres die Pit Green Community (PGC). Alle zwei Monate veranstalten sie seither ein kleines und für alle Interessenten offenes Turnier.

Entwickelt wurde die Figur 2004 von der Design-Agentur „rutan“ aus Darmstadt. Der Micro-Golfer, von den Erfindern „PIT GREEN“ getauft, ist schlicht in weiß gehalten und bringt Golf auf einen „kleinen Maßstab“, wie Matze Lenz (41) von rutan erzählt. Inspiriert durch die „Fingerboards“ (Skateboards im Kleinformat) suchte er nach einer Möglichkeit einen Sport in Miniaturform zu entwickeln. Irgendwann kam er auf Golf und stellte die Idee seinen Kollegen vor.

Die Umgebung neu entdecken

Bei der Entwicklung stand für die Erfinder die eigene Kreativität der Spieler im Vordergrund, sagt Oliver Johannson (37), Geschäftsführer von rutan. „Die Figur bietet Raum für eigene Gestaltung“, führt er fort, „das Spielfeld ist der Ort, an dem man gerade ist.“ Dadurch, dass man beim Micro-Golfen ständig auf den Knien rutscht, „entdeckt man seine eigene Umgebung völlig neu“, beschreibt Johannson.

Vier Schläger können für die jeweilige Spielsituation gewählt, an die Figur angesteckt und festgeschraubt werden. Ein Eisen, der Driver, der Wedge und der Lieblingsschläger der meisten Micro-Golfer, der obligatorische Putter, stehen zur Auswahl.

Lüthke entscheidet sich auch bei seinem zweiten Schlag für den Wedge, die Flügeltür hat er beim ersten Mal nicht ganz passieren können. Mit einem sogenannten „Slider“, ein gezahnter Plastikstab, der an der Schulter in die Figur eingeführt wird, kann er die Arme des PIT GREEN mit Hilfe eines Zahnradmechanismus in der Mitte des Oberkörpers um 360° Grad drehen und so Geschwindigkeit und Flughöhe beliebig steuern.

Rechts von ihm erhebt sich aus schwarzen Holzstühlen und weißen Bistrotischen ein „Wald“. Links steht ein Klavierflügel, etwas weiter vorne eine rote Sitzgarnitur. Von seiner Position aus kann Lüthke das selbstgebaute Green bereits sehen. Umringt von einem Wasserhindernis und drei Bunkern, die seine Mannschaftskollegin Bärbel Jöhnk (44) vorher mit Quarzsand aus dem Baumarkt gefüllt hat.

Mit dem zweiten Schlag ist er auf dem Grün angekommen, seine Mitspieler brauchen dafür den einen oder anderen Schlag länger. Jöhnk sucht derweil ihren Ball, der auf dem rotbraunen PVC-Boden direkt unter einem Stuhl zum Erliegen gekommen ist. Wie beim richtigen Golf gilt auch hier: Der Ball muss gespielt werden, wie er liegt. Die Sozialpädagogin, die im Haus der Jugend arbeitet, muss also zwischen den Stühlen herumrobben, um den nächsten Schlag spielen zu können.

Hamburg als "Hochburg"

„Das Schöne an dem Spiel ist, dass es jeder spielen kann“, findet Jöhnk. „Man kann gleich und überall einfach loslegen“, fügt Benjamin Neske (21), Mitbegründer der PGC, an. 21 aktive Spieler sind regelmäßig bei den Turnieren in Stellingen dabei – Tendenz steigend. Matze Lenz nennt Hamburg deshalb etwas scherzhaft die „Hochburg“ der Micro-Golfer.

Während Bärbel Jöhnk zunächst noch ein weiteres Mal ein Stuhlbein anspielt, bevor sie zum Green kommt, spielt Neske einen Bogey (ein Schlag über Par). „Im Turnier klappt das nie“, flachst er. Seine Mitspieler applaudieren brav. „Beim Micro Golf spielt man in der Gruppe und gleichzeitig für sich selbst“, erzählt Lüthke. „Und wenn die Knie etwas halten, dann kann man es auch sehr lange im Leistungsbereich spielen“, fügt Jöhnk lachend hinzu. Mehr Informationen zum Thema auf www.pitgreen.com und www.pgc-hamburg.de .