In ihren Träumen war sie schon früh eine erfolgreiche Sportlerin, doch der Schritt in die Realität wollte Joyce Jah lange nicht gelingen...

Hamburg. Fitnesstraining, Joggen, Fahrradfahren – die 29-Jährige hatte vieles probiert, aber nie den Weg in einen Verein gefunden. Der erste Ausbruch aus der Traumwelt war im vergangenen Mai ein Probetraining im Kampfsportklub „Siamstore“, wo der Sohn einer Freundin trainierte. „Als ich das durchgestanden hatte, wusste ich, was ich wollte: kämpfen“, sagt Jah. Und das tat sie.

Bereits im Oktober, nur fünf Monate nach ihrem Einstieg, bestritt sie ihren ersten Kampf – und verlor prompt. „Die vielen Lichter, das ganze Drumherum, das war alles zu viel für mich“, gibt sie zu. Aufgeben, so viel hatte sie schon gelernt, kam jedoch nicht infrage, und den Lohn für ihre Beharrlichkeit kann die 1,74 Meter große Athletin an diesem Sonnabend einstreichen. Im Audimax der Uni Hamburg tritt sie im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Get in the ring“ gegen Lotte Wienberg aus Bremen zu ihrem achten Kampf (fünf Siege) an. Es ist der erste Frauenkampf in der Geschichte von „Get in the ring“, und es ist das erste Mal, dass Jah Geld bekommt für das Ausüben ihres Hobbys.

„Auch wenn ich es gebrauchen kann, ist Geld nicht so wichtig. Mir geht es darum, Medaillen und Pokale zu gewinnen, denn davon habe ich früher geträumt“, sagt die Kämpferin, die gegen Wienberg im K.1 – Kickboxen mit Einsatz der Knie – antritt, aber auch im Thai- und Kickboxen bereits Erfahrungen sammelte. Früher, das war die Zeit, in der die Tochter einer Deutschen und eines Ghanaers, den sie nie kennengelernt hat, aggressiv war gegen alles und jeden; in der sie nicht lernen und nicht arbeiten wollte und in der ihr „vieles scheißegal“ war. Durch den Sport, sagt sie, habe ihr Leben endlich eine Struktur bekommen. „Ich habe mit dem Rauchen aufgehört, ich esse bewusst gesund, habe gelernt, Respekt zu haben und ein Ziel zu verfolgen“, sagt sie.

Der Mann, der die ledige Eimsbüttlerin auf diesem Weg unterstützt, ist Ralf Stege (41). Der frühere Weltklassekämpfer und Leiter des „Siamstore“ ist nicht nur ihr Trainer, sondern auch ihr Chef. Als Jah Ende vergangenen Jahres wieder einmal ohne Job dastand, bot er ihr ein Praktikum in seinem Studio an. Seit Anfang August ist sie seine Auszubildende zur Sport- und Fitnesskauffrau. „Ohne Ralf“, sagt sie, „hätte ich das alles nie geschafft.“

Dass die Arbeit in diesen Tagen vor dem größten Kampf ihrer Karriere ab und an zu kurz kommt, dafür hat Stege Verständnis, weil er weiß, wie wichtig der Sport für seinen Schützling ist. „Joyce ist ein Bewegungstalent. Sie bringt zwei Dinge mit, die man nicht lernen kann: Härte und Siegeswillen. Es ist nur schade, dass sie so spät angefangen hat.“ Andererseits ist es nie zu spät, Träume zu realisieren. (bj)