Hamburg. Bei der Weltmeisterschaft am Rothenbaum trifft das HSV-Duo Kozuch/Ludwig in seinem ersten Spiel auf zwei US-Amerikanerinnen.

Teo Johnston krabbelt über den Tisch, strahlt, Vater Imornefe Bowes lacht über so viel Bewegungsdrang, plaudert derweil entspannt mit der ihm gegenübersitzenden Margareta Kozuch, während Mutter Laura Ludwig am Tresen eine weitere Runde Getränke bestellt. Die Sonne scheint, nebenan planschen Kinder im Wasserbecken. Familienidylle im BeachCenter am Dulsberger Alten Teichweg.

Mit der soll es auch am Freitag nicht vorbei sein, wenn im Tennisstadion am Hamburger Rothenbaum die Beachvolleyball-Weltmeisterschaft beginnt. Vater Bowes, von Beruf Chef-Bundestrainer Beachvolleyball Frauen, Omas, Opas, Freunde und Verwandte sind dabei, wenn Kozuch/Ludwig um 18 Uhr gegen die US-Amerikanerinnen Kelley Larsen/Emily Stockman, Nummer elf der Weltrangliste, zu ihrem ersten von drei Gruppenspielen aufschlagen. Zum Feiern gibt es unabhängig vom Spielausgang ohnehin den schönsten Grund: Teo Johnston wird an diesem Tag ein Jahr alt.

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© Major Tour/Frank Hasse


Der lange gehegte Kinderwunsch hat Laura Ludwig (33) 20 Monate lang pausieren lassen, jetzt gilt es seit Anfang des Jahres, Familie und Leistungssport zu vereinbaren. Und alle in ihrem sportlichen und familiären Umfeld helfen seitdem mit, dass die einst beste Beachvolleyballerin der Welt, Weltmeisterin und Olympiasiegerin, sich ihren letzten sportlichen Traum erfüllen kann: die Teilnahme an den Olympischen Sommerspielen im August 2020 in Tokio.

Kozuch war Hamburgs Sportlerin des Jahres 2006

Nur die Frau, mit der sie ihre beiden wichtigsten Titel verteidigen will, ist neu. Margareta Kozuch (32), gebürtige Hamburgerin, eine der besten Hallenvolleyballspielerinnen der Welt, Hamburgs Sportlerin des Jahres 2006, Kapitänin der deutschen Nationalmannschaft, hat den begehrtesten und möglicherweise schwierigsten Job im weltweiten Beachvolleyball angetreten. „Mit einer wie Laura will wahrscheinlich jede zusammenspielen“, sagte sie, als sie im Herbst vergangenen Jahres die angebotene Partnerschaft einging. Überlegt habe sie trotzdem, auch wenn ihr Gefühl sofort Ja schrie. Die beiden kennen, schätzen und respektieren sich seit 18 Jahren, als sie sich erstmals als Jugendnationalspielerinnen bei einem Turnier in der weißrussischen Hauptstadt Minsk trafen.

Der Partnertausch wurde notwendig, weil Ludwigs langjährige Spielgefährtin Kira Walkenhorst (28) ihre Karriere nach zahlreichen Verletzungen und Operationen im Januar vorübergehend beendete. Es soll nicht das endgültige Ende gewesen sein, sagt die ehemals weltbeste Blockerin. Wenn sie komplett schmerzfrei sei, schließe sie einen Neubeginn nicht aus, sagte sie kürzlich.

Vier Turniere in den vergangenen zwei Monaten

Nun also Kozuch/Ludwig, momentan die Nummer 57 der Welt. Die WM als Standortbestimmung auf dem Weg nach Tokio. Vier Turniere haben die beiden in den vergangenen zwei Monaten gespielt, zweimal schlugen sie sich ins Achtelfinale. Die Resultate seien im Augenblick noch zweitrangig, sagen sie, auch bei der WM ginge es ihnen und Trainer Jürgen Wagner nicht in erster Linie um eine gute Platzierung, aber schon um gute, stabile Auftritte, um weitere Fortschritte in der gemeinsamen Entwicklung. „Das ist das, was im Moment zählt. Die nötigen Ergebnisse werden dann irgendwann kommen“, sagt Manager Andreas Scheuerpflug.

20 Monate Wettkampfpause hatten bei Ludwig Spuren hinterlassen. „Ich bin nicht so fit, wie ich aussehe“, sagte sie, nachdem sie im März Fotos aus dem Training mit einem Sixpack gepostet hatte. Bei den ersten Turnieren fehlten ihr noch Kraft und Dynamik, inzwischen verbreitet sie wieder jene Aggressivität und Ausstrahlung, die ihre Gegnerinnen früher fürchteten. Mit der Form stieg auch ihr Selbstvertrauen, „Laura ist auf einem guten Weg“, sagt Bernd Schlesinger, Leiter des Hamburger Beachvolleyball-Bundesstützpunktes.

Trainer Wagner erwartet einen guten WM-Auftritt

Auch Margareta Kozuch, die alle nur „Maggie“ nennen, wächst allmählich in die Rolle jener Partnerin, mit der große Ziele zu realisieren sind. „Wenn es bei den beiden gut läuft, dann sind sie gleich richtig gut“, sagt Manager Scheuerpflug, „sie haben gegen alle Weltklasseteams gezeigt, wozu sie fähig sind, die Konstanz fehlt oft aber noch.“ Das sei kein Grund zur Panik, sondern nach erst einem halben Jahr intensiver Zusammenarbeit „völlig normal“.

Kozuch wechselte vor zwei Jahren aus der Halle an den Strand, weil sie „Lust auf neue Herausforderungen hatte“. Mit der Stuttgarterin Karla Borger baggerte sie sich bis unter die Top 20 der Weltrangliste, ohne dabei die Umstellungen auf Beachvolleyball verinnerlicht zu haben. In Stresssituationen fällt sie gelegentlich in alte (Hallen-)Muster zurück, etwa bei ihrem Anlaufrhythmus, wenn sie in diesem Bewegungsablauf zum Schlagen am Netz ausholt. Wagner sorgt das nicht: „Maggie ist voll motiviert, lernwillig und lernfähig. Sie ist ein absoluter Profi.“

Es fehlt die nötige Stabilität

Was Deutschlands besten Beachvolleyballtrainer beruhigt: „Es gab bisher keine Trainingseinheit, in der beide nicht 100 Prozent Einsatz gezeigt haben.“ Er sagt aber auch: „Die Zeit bis Tokio bleibt kurz.“ Zu kurz wohl, um größere Rückschläge aufzufangen. Die zeichnen sich bislang jedoch nicht ab. Was fehle, sei noch die nötige Stabilität. „Aber wenn es einer schafft, Kozuch/Ludwig in die absolute Weltspitze zu führen, dann ist es Jürgen Wagner“, sagt Niclas Hildebrand, der Beach-Direktor des Deutschen Volleyball-Verbands.

Optimismus verbreitet auch Laura Ludwig, die Frohnatur: „Der Knoten ist noch nicht geplatzt, aber er sitzt schon ziemlich locker. Wenn er platzt, sollten wir auch mit dieser Leichtigkeit spielen können, die vieles einfacher macht“, sagt sie. Bei aller Zurückhaltung und Vorsicht, Wagner erwartet in Hamburg schon, „dass die beiden den bisher besten Beachvolleyball ihrer gemeinsamen Zeit spielen. Das ist unser Anspruch. Und ich habe keine Zweifel daran, dass dies Maggie/Laura auch gelingen wird. Wir sind auf dem richtigen Weg.“